Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Am 22ten des Februars. Heute unterhalte ich mich mit Jhnen über Alles Streben des Menschen konzentrirt sich Am 22ten des Februars. Heute unterhalte ich mich mit Jhnen uͤber Alles Streben des Menſchen konzentrirt ſich <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0117" n="117"/> <div type="letter" n="1"> <dateline> <hi rendition="#b">Am 22ten des Februars.</hi> </dateline><lb/> <p><hi rendition="#in">H</hi>eute unterhalte ich mich mit Jhnen uͤber<lb/> den Einfluß der Leſeſucht auf die Launen der<lb/> Leſer. Sie haͤngen genau mit der Einbildungs-<lb/> kraft zuſammen. Vielleicht leſen Sie manches<lb/> deſſen weitere Bekanntmachung Sie wol nicht<lb/> unnuͤtz ſinden duͤrften. Jch hole etwas weit aus.</p><lb/> <p>Alles Streben des Menſchen konzentrirt ſich<lb/> in dem Wunſche — gluͤcklich zu ſeyn. Miß-<lb/> griffe laufen mit unter; ſie dienen zur Beleh-<lb/> rung. Sie muͤſſen mit unterlaufen, weil das,<lb/> was wir Gluͤck nennen, vorzuͤglich in der Ein-<lb/> bildung und Vorſtellung beſtehet. Es ſteigt und<lb/> faͤllt mit dieſen. Relative Begriffe exiſtiren in<lb/> einem jeden Kopfe anders. Sie erzeugen die<lb/> Wuͤnſche; die Erfuͤllung aber haͤngt von Um-<lb/> ſtaͤnden ab. Unſere Vorſtellungen und Begrif-<lb/> fe werden durch die Lektuͤre, ſo wie durch je-<lb/> den Unterricht umgeformt und berichtigt. Das<lb/> Gegentheil iſt auch moͤglich. — Die Objekte<lb/> koͤnnen dieſelben bleiben und wir begehren ſie<lb/> doch nicht mehr oder wenigſtens nicht mehr in<lb/> dem Maaße als vorher. — Was in der Phan-<lb/> taſie erzeugt wird, kann in der Vorſtellung der<lb/> Moͤglichkeit deſſelben ſich endlich zum Beduͤrf-<lb/> niß qualifiziren, deſſen Nichthefriedigung unzu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0117]
Am 22ten des Februars.
Heute unterhalte ich mich mit Jhnen uͤber
den Einfluß der Leſeſucht auf die Launen der
Leſer. Sie haͤngen genau mit der Einbildungs-
kraft zuſammen. Vielleicht leſen Sie manches
deſſen weitere Bekanntmachung Sie wol nicht
unnuͤtz ſinden duͤrften. Jch hole etwas weit aus.
Alles Streben des Menſchen konzentrirt ſich
in dem Wunſche — gluͤcklich zu ſeyn. Miß-
griffe laufen mit unter; ſie dienen zur Beleh-
rung. Sie muͤſſen mit unterlaufen, weil das,
was wir Gluͤck nennen, vorzuͤglich in der Ein-
bildung und Vorſtellung beſtehet. Es ſteigt und
faͤllt mit dieſen. Relative Begriffe exiſtiren in
einem jeden Kopfe anders. Sie erzeugen die
Wuͤnſche; die Erfuͤllung aber haͤngt von Um-
ſtaͤnden ab. Unſere Vorſtellungen und Begrif-
fe werden durch die Lektuͤre, ſo wie durch je-
den Unterricht umgeformt und berichtigt. Das
Gegentheil iſt auch moͤglich. — Die Objekte
koͤnnen dieſelben bleiben und wir begehren ſie
doch nicht mehr oder wenigſtens nicht mehr in
dem Maaße als vorher. — Was in der Phan-
taſie erzeugt wird, kann in der Vorſtellung der
Moͤglichkeit deſſelben ſich endlich zum Beduͤrf-
niß qualifiziren, deſſen Nichthefriedigung unzu-
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