Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Was haben wir gewonnen, wenn wir von Da wir nach dem Gesetz der Einbildungs- Was haben wir gewonnen, wenn wir von Da wir nach dem Geſetz der Einbildungs- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0121" n="121"/> <p>Was haben wir gewonnen, wenn wir von<lb/> der Lektuͤre eines Abentheuers zuruͤck kommen?<lb/> Es iſt uns wie dem Traͤumenden, der lauter<lb/> ſchoͤne, liebliche Scenen ſahe und beim Erwa-<lb/> chen alles verſchwunden ſiehet, und mißmuͤthig<lb/> und muͤrriſch ſich vom Lager erhebt. Jeder tem-<lb/> porelle leidenſchaſtliche Gemuͤthszuſtand des<lb/> Menſchen oder ſeine Lanne muß ſchon als Lei-<lb/> denſchaft veraͤnderlich ſeyn, ſie wird es aber<lb/> im hoͤchſten Grade, wenn ihr ſtets neue Nah-<lb/> rung geboten wird. Der Menſch kann ganz das<lb/> Spiel derſelben werden. Welch ein elender Zu-<lb/> ſtand immer von ſeinen zufaͤlligen Launen ab-<lb/> haͤngen zu muͤſſen! Durch die abentheurliche Le-<lb/> ſeſucht muß nothwendig neue ſonderbare Mi-<lb/> ſchung der Empfindungen entſtehen, die wider-<lb/> natuͤrlich in dem Leſer wirken; und was kann<lb/> die Folge davon ſeyn? Haͤrte in den Urtheilen<lb/> uͤber uns ſelbſt und uͤber andere. Ueberſpannte<lb/> Jdeen, entworfene Jdeale, deren Wirklichkeit<lb/> nirgend zu finden iſt, haben nicht ſelten Unmuth,<lb/> Mißvergnuͤgen hervorgebracht zwiſchen Eheleuten,<lb/> Kindern und in weitern Verhaͤltniſſen. Der<lb/> Wahn, ein beſſeres Loos verdient zu haben, als<lb/> fuͤr uns geworfen wurde, hat oft das Maaß<lb/> haͤuslichen Mißmuths uͤberlaufen laſſen.</p><lb/> <p>Da wir nach dem Geſetz der Einbildungs-<lb/> kraft das Vergnuͤgen oder Mißvergnuͤgen auf die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [121/0121]
Was haben wir gewonnen, wenn wir von
der Lektuͤre eines Abentheuers zuruͤck kommen?
Es iſt uns wie dem Traͤumenden, der lauter
ſchoͤne, liebliche Scenen ſahe und beim Erwa-
chen alles verſchwunden ſiehet, und mißmuͤthig
und muͤrriſch ſich vom Lager erhebt. Jeder tem-
porelle leidenſchaſtliche Gemuͤthszuſtand des
Menſchen oder ſeine Lanne muß ſchon als Lei-
denſchaft veraͤnderlich ſeyn, ſie wird es aber
im hoͤchſten Grade, wenn ihr ſtets neue Nah-
rung geboten wird. Der Menſch kann ganz das
Spiel derſelben werden. Welch ein elender Zu-
ſtand immer von ſeinen zufaͤlligen Launen ab-
haͤngen zu muͤſſen! Durch die abentheurliche Le-
ſeſucht muß nothwendig neue ſonderbare Mi-
ſchung der Empfindungen entſtehen, die wider-
natuͤrlich in dem Leſer wirken; und was kann
die Folge davon ſeyn? Haͤrte in den Urtheilen
uͤber uns ſelbſt und uͤber andere. Ueberſpannte
Jdeen, entworfene Jdeale, deren Wirklichkeit
nirgend zu finden iſt, haben nicht ſelten Unmuth,
Mißvergnuͤgen hervorgebracht zwiſchen Eheleuten,
Kindern und in weitern Verhaͤltniſſen. Der
Wahn, ein beſſeres Loos verdient zu haben, als
fuͤr uns geworfen wurde, hat oft das Maaß
haͤuslichen Mißmuths uͤberlaufen laſſen.
Da wir nach dem Geſetz der Einbildungs-
kraft das Vergnuͤgen oder Mißvergnuͤgen auf die
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