Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Man schiebt freylich wol einen guten, oder Nach meinem obigen Grundsatze müssen J 2
Man ſchiebt freylich wol einen guten, oder Nach meinem obigen Grundſatze muͤſſen J 2
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0131" n="131"/> <p>Man ſchiebt freylich wol einen guten, oder<lb/> vielmehr einen ertraͤglichen Charakter neben ei-<lb/> uem boͤſen ein, um Abſcheu gegen dieſen zu er-<lb/> wecken; ich traue wenigſtens den Verfaſſern die-<lb/> ſe Abſicht zu, aber der gute faͤllt meiſtentheils<lb/> ſo aus, daß man ſiehet, es wird den Herrn<lb/> leichter einen Boͤſen als einen guten zu copi-<lb/> ren. Jch moͤchte das Buch ſehen das <hi rendition="#fr">jetzt</hi> in<lb/> der Modelektuͤre laͤuft, worin ein vollkommen<lb/> guter Charakter waͤre, das heiſt ein ſolcher,<lb/> den Menſchen erreichen koͤnnen, und dies ſollte<lb/> doch ſeyn, wenn man etwas zur Nachahmung<lb/> aufſtellen will. Das liebe leſende Publikum<lb/> iſt mit dem mittelmaͤßigen zufrieden, woruͤber<lb/> ſich irgend ein Grieche ſehr naiv. ausdruͤckt:<lb/> „#‟ ich uͤber-<lb/> ſetze dies ſo: man nimmt es weil man nichts<lb/> beſſers haben kann. — —</p><lb/> <p>Nach meinem obigen Grundſatze muͤſſen<lb/> Leidenſchaften wieder Leidenſchaften erzeugen,<lb/> die um deſto groͤßer ſind, je ſinnlicher ſie vor-<lb/> geſtellet werden. Siehet man nun gar in dem<lb/> Buche daß Menſchen mit boͤſen Leidenſchaften<lb/> und Charakter immer noch gut durchkommen,<lb/> daß ſie entſchuldigt wo nicht gar gelobt werden,<lb/> was kann hier die Wurkung auf das Herz des<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0131]
Man ſchiebt freylich wol einen guten, oder
vielmehr einen ertraͤglichen Charakter neben ei-
uem boͤſen ein, um Abſcheu gegen dieſen zu er-
wecken; ich traue wenigſtens den Verfaſſern die-
ſe Abſicht zu, aber der gute faͤllt meiſtentheils
ſo aus, daß man ſiehet, es wird den Herrn
leichter einen Boͤſen als einen guten zu copi-
ren. Jch moͤchte das Buch ſehen das jetzt in
der Modelektuͤre laͤuft, worin ein vollkommen
guter Charakter waͤre, das heiſt ein ſolcher,
den Menſchen erreichen koͤnnen, und dies ſollte
doch ſeyn, wenn man etwas zur Nachahmung
aufſtellen will. Das liebe leſende Publikum
iſt mit dem mittelmaͤßigen zufrieden, woruͤber
ſich irgend ein Grieche ſehr naiv. ausdruͤckt:
„#‟ ich uͤber-
ſetze dies ſo: man nimmt es weil man nichts
beſſers haben kann. — —
Nach meinem obigen Grundſatze muͤſſen
Leidenſchaften wieder Leidenſchaften erzeugen,
die um deſto groͤßer ſind, je ſinnlicher ſie vor-
geſtellet werden. Siehet man nun gar in dem
Buche daß Menſchen mit boͤſen Leidenſchaften
und Charakter immer noch gut durchkommen,
daß ſie entſchuldigt wo nicht gar gelobt werden,
was kann hier die Wurkung auf das Herz des
J 2
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