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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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und er fand keinen Sinn dafüt, weil jener
Modeleser durch sein fades Gewäsch ein fades
Geschwätz noch fader zu machen sucht. O die
Eitelkeit, o die klugen Leser! Man gab sonst
den Neugetauften Salz in den Mund als
Symbol der Weisheit, jetzt stecken ihnen un-
sere Modeschreiber Zuckerbrod hinein als Zei-
chen der Feinheit und Genießbarkeit. Man ge-
nießt sich und genießt sich doch nicht.

Es ist in der That ärgerlich wenn man
einen jungen Mann dieser Art, der wol gar
eine Stütze des lieben Vaterlandes werden will,
nach diesem oder jenem Buche fragt, das
in sein Fach gehört, und eine gänzliche
Jgnoranz, oft so gar der Namen der be-
rühmtesten Gelehrten antrift, dagegen aber
ein Dutzend Romanen, Rittermähren und
schofele Gedichte herzählen hört. Eben so ge-
het es den Damen die oft ein Buch bis in
den Himmel erheben, und wirklich nichts von
dem Jnhalte verstanden -- die Eitelkeit treibt
sie auch wol zu etwas spekulativer Philosophie
-- sie vergessen daß sie ihren Verstand durch
ihr Urtheil sehr kompromittiren. Ein vernünf-
tiger Jüngling macht sich mit der Modelektüre
bekannt, und dies ist oft nothwendig, aber die-
se Bekanntschaft ist von ganz anderer Art und
wird ihm nüzlich, wenn er vorher mit reellen

und er fand keinen Sinn dafuͤt, weil jener
Modeleſer durch ſein fades Gewaͤſch ein fades
Geſchwaͤtz noch fader zu machen ſucht. O die
Eitelkeit, o die klugen Leſer! Man gab ſonſt
den Neugetauften Salz in den Mund als
Symbol der Weisheit, jetzt ſtecken ihnen un-
ſere Modeſchreiber Zuckerbrod hinein als Zei-
chen der Feinheit und Genießbarkeit. Man ge-
nießt ſich und genießt ſich doch nicht.

Es iſt in der That aͤrgerlich wenn man
einen jungen Mann dieſer Art, der wol gar
eine Stuͤtze des lieben Vaterlandes werden will,
nach dieſem oder jenem Buche fragt, das
in ſein Fach gehoͤrt, und eine gaͤnzliche
Jgnoranz, oft ſo gar der Namen der be-
ruͤhmteſten Gelehrten antrift, dagegen aber
ein Dutzend Romanen, Rittermaͤhren und
ſchofele Gedichte herzaͤhlen hoͤrt. Eben ſo ge-
het es den Damen die oft ein Buch bis in
den Himmel erheben, und wirklich nichts von
dem Jnhalte verſtanden — die Eitelkeit treibt
ſie auch wol zu etwas ſpekulativer Philoſophie
— ſie vergeſſen daß ſie ihren Verſtand durch
ihr Urtheil ſehr kompromittiren. Ein vernuͤnf-
tiger Juͤngling macht ſich mit der Modelektuͤre
bekannt, und dies iſt oft nothwendig, aber die-
ſe Bekanntſchaft iſt von ganz anderer Art und
wird ihm nuͤzlich, wenn er vorher mit reellen

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[76/0076] und er fand keinen Sinn dafuͤt, weil jener Modeleſer durch ſein fades Gewaͤſch ein fades Geſchwaͤtz noch fader zu machen ſucht. O die Eitelkeit, o die klugen Leſer! Man gab ſonſt den Neugetauften Salz in den Mund als Symbol der Weisheit, jetzt ſtecken ihnen un- ſere Modeſchreiber Zuckerbrod hinein als Zei- chen der Feinheit und Genießbarkeit. Man ge- nießt ſich und genießt ſich doch nicht. Es iſt in der That aͤrgerlich wenn man einen jungen Mann dieſer Art, der wol gar eine Stuͤtze des lieben Vaterlandes werden will, nach dieſem oder jenem Buche fragt, das in ſein Fach gehoͤrt, und eine gaͤnzliche Jgnoranz, oft ſo gar der Namen der be- ruͤhmteſten Gelehrten antrift, dagegen aber ein Dutzend Romanen, Rittermaͤhren und ſchofele Gedichte herzaͤhlen hoͤrt. Eben ſo ge- het es den Damen die oft ein Buch bis in den Himmel erheben, und wirklich nichts von dem Jnhalte verſtanden — die Eitelkeit treibt ſie auch wol zu etwas ſpekulativer Philoſophie — ſie vergeſſen daß ſie ihren Verſtand durch ihr Urtheil ſehr kompromittiren. Ein vernuͤnf- tiger Juͤngling macht ſich mit der Modelektuͤre bekannt, und dies iſt oft nothwendig, aber die- ſe Bekanntſchaft iſt von ganz anderer Art und wird ihm nuͤzlich, wenn er vorher mit reellen

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/76>, abgerufen am 26.11.2024.