Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Ihr heiter freien Ebenen des Mains, Ihr reichen, blühenden! wo nahe bald Der frohe Strom, des stolzen Vaters Liebling, Mit offnem Arm' ihn grüßt, den alten Rhein! Auch ihr! Sie sind wie Freunde mir geworden, Und aus der Seele mir vergehen soll Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Busen, So soll mir auch die Freude lebend bleiben. Erzählen wollt' ich dir, doch hell ist nie Das Auge mir, wenn dessen ich gedenke; Vor seinen kindischen, geliebten Träumen Bebt immer mir das Herz. Wir reisten dann Hinein in andre Gegenden, ins Land Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten Der wilden, heil'gen Berge lebten wir, Die Sommertage durch, und sprachen gern Von Helden, die daselbst gewohnt, und Göttern. Noch giengen wir des Tages, ehe wir Vom Orte schieden, in den Eichenwald Des herrlichen Gebirgs hinaus, und standen In kühler Luft auf hoher Heide nun. Ihr heiter freien Ebenen des Mains, Ihr reichen, bluͤhenden! wo nahe bald Der frohe Strom, des ſtolzen Vaters Liebling, Mit offnem Arm' ihn gruͤßt, den alten Rhein! Auch ihr! Sie ſind wie Freunde mir geworden, Und aus der Seele mir vergehen ſoll Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Buſen, So ſoll mir auch die Freude lebend bleiben. Erzaͤhlen wollt' ich dir, doch hell iſt nie Das Auge mir, wenn deſſen ich gedenke; Vor ſeinen kindiſchen, geliebten Traͤumen Bebt immer mir das Herz. Wir reiſten dann Hinein in andre Gegenden, ins Land Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten Der wilden, heil'gen Berge lebten wir, Die Sommertage durch, und ſprachen gern Von Helden, die daſelbſt gewohnt, und Goͤttern. Noch giengen wir des Tages, ehe wir Vom Orte ſchieden, in den Eichenwald Des herrlichen Gebirgs hinaus, und ſtanden In kuͤhler Luft auf hoher Heide nun. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0103" n="95"/> <lg n="4"> <l>Ihr heiter freien Ebenen des Mains,</l><lb/> <l>Ihr reichen, bluͤhenden! wo nahe bald</l><lb/> <l>Der frohe Strom, des ſtolzen Vaters Liebling,</l><lb/> <l>Mit offnem Arm' ihn gruͤßt, den alten Rhein!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Auch ihr! Sie ſind wie Freunde mir geworden,</l><lb/> <l>Und aus der Seele mir vergehen ſoll</l><lb/> <l>Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Buſen,</l><lb/> <l>So ſoll mir auch die Freude lebend bleiben.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Erzaͤhlen wollt' ich dir, doch hell iſt nie</l><lb/> <l>Das Auge mir, wenn deſſen ich gedenke;</l><lb/> <l>Vor ſeinen kindiſchen, geliebten Traͤumen</l><lb/> <l>Bebt immer mir das Herz.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wir reiſten dann</l><lb/> <l>Hinein in andre Gegenden, ins Land</l><lb/> <l>Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten</l><lb/> <l>Der wilden, heil'gen Berge lebten wir,</l><lb/> <l>Die Sommertage durch, und ſprachen gern</l><lb/> <l>Von Helden, die daſelbſt gewohnt, und Goͤttern.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Noch giengen wir des Tages, ehe wir</l><lb/> <l>Vom Orte ſchieden, in den Eichenwald</l><lb/> <l>Des herrlichen Gebirgs hinaus, und ſtanden</l><lb/> <l>In kuͤhler Luft auf hoher Heide nun.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0103]
Ihr heiter freien Ebenen des Mains,
Ihr reichen, bluͤhenden! wo nahe bald
Der frohe Strom, des ſtolzen Vaters Liebling,
Mit offnem Arm' ihn gruͤßt, den alten Rhein!
Auch ihr! Sie ſind wie Freunde mir geworden,
Und aus der Seele mir vergehen ſoll
Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Buſen,
So ſoll mir auch die Freude lebend bleiben.
Erzaͤhlen wollt' ich dir, doch hell iſt nie
Das Auge mir, wenn deſſen ich gedenke;
Vor ſeinen kindiſchen, geliebten Traͤumen
Bebt immer mir das Herz.
Wir reiſten dann
Hinein in andre Gegenden, ins Land
Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten
Der wilden, heil'gen Berge lebten wir,
Die Sommertage durch, und ſprachen gern
Von Helden, die daſelbſt gewohnt, und Goͤttern.
Noch giengen wir des Tages, ehe wir
Vom Orte ſchieden, in den Eichenwald
Des herrlichen Gebirgs hinaus, und ſtanden
In kuͤhler Luft auf hoher Heide nun.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/103>, abgerufen am 16.02.2025. |