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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir
Ein andres Leben blühte, da er mich
Mit Schmach hinweg aus unsrer Stadt verwies,
Mein königlicher Bruder. Ach! er weiß es nicht,
Der kluge, welchen Segen er bereitete,
Da er von Menschenbande los, da er mich frei
Erklärte, frei, wie Fittige des Himmels.
Drum galt es auch! drum waffnete das Volk,
Das mein war, gegen meine Seele sich
Mit Hohn und Fluch.
Und stieß mich aus; und nicht vergebens gellt
Im Ohre mir das hundertstimmige
Gelächter, da der fromme Träumer,
Der närrische, des Weges weinend gieng.
Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient!
Und heilsam wars; die Kranken heilt das Gift,
Und eine Sünde straft die anderen.
Denn viel gesündiget von Jugend auf,
Geliebt hab' ich die Menschen ohne Maaß,
Gedient, wie Wasser nur dem Feuer dient.
Darum begegneten auch menschlich sie
Mir nicht, o darum schändeten sie mir
Mein Angesicht, und hielten mich, wie dich,
Allduldende Natur! du hast mich nun,
Du hast mich, und es dämmert zwischen dir
Und mir die alte Liebe wieder auf.
Du rufst, du ziehst mich nah und näher an,
Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir
Ein andres Leben bluͤhte, da er mich
Mit Schmach hinweg aus unſrer Stadt verwies,
Mein koͤniglicher Bruder. Ach! er weiß es nicht,
Der kluge, welchen Segen er bereitete,
Da er von Menſchenbande los, da er mich frei
Erklaͤrte, frei, wie Fittige des Himmels.
Drum galt es auch! drum waffnete das Volk,
Das mein war, gegen meine Seele ſich
Mit Hohn und Fluch.
Und ſtieß mich aus; und nicht vergebens gellt
Im Ohre mir das hundertſtimmige
Gelaͤchter, da der fromme Traͤumer,
Der naͤrriſche, des Weges weinend gieng.
Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient!
Und heilſam wars; die Kranken heilt das Gift,
Und eine Suͤnde ſtraft die anderen.
Denn viel geſuͤndiget von Jugend auf,
Geliebt hab' ich die Menſchen ohne Maaß,
Gedient, wie Waſſer nur dem Feuer dient.
Darum begegneten auch menſchlich ſie
Mir nicht, o darum ſchaͤndeten ſie mir
Mein Angeſicht, und hielten mich, wie dich,
Allduldende Natur! du haſt mich nun,
Du haſt mich, und es daͤmmert zwiſchen dir
Und mir die alte Liebe wieder auf.
Du rufſt, du ziehſt mich nah und naͤher an,
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[207/0215] Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir Ein andres Leben bluͤhte, da er mich Mit Schmach hinweg aus unſrer Stadt verwies, Mein koͤniglicher Bruder. Ach! er weiß es nicht, Der kluge, welchen Segen er bereitete, Da er von Menſchenbande los, da er mich frei Erklaͤrte, frei, wie Fittige des Himmels. Drum galt es auch! drum waffnete das Volk, Das mein war, gegen meine Seele ſich Mit Hohn und Fluch. Und ſtieß mich aus; und nicht vergebens gellt Im Ohre mir das hundertſtimmige Gelaͤchter, da der fromme Traͤumer, Der naͤrriſche, des Weges weinend gieng. Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient! Und heilſam wars; die Kranken heilt das Gift, Und eine Suͤnde ſtraft die anderen. Denn viel geſuͤndiget von Jugend auf, Geliebt hab' ich die Menſchen ohne Maaß, Gedient, wie Waſſer nur dem Feuer dient. Darum begegneten auch menſchlich ſie Mir nicht, o darum ſchaͤndeten ſie mir Mein Angeſicht, und hielten mich, wie dich, Allduldende Natur! du haſt mich nun, Du haſt mich, und es daͤmmert zwiſchen dir Und mir die alte Liebe wieder auf. Du rufſt, du ziehſt mich nah und naͤher an,

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/215>, abgerufen am 21.11.2024.