Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Der gefesselte Strom. Was schläfst und träumst Du, Jüngling! gehüllt in Dich, Und säumst am kalten Ufer, Geduldiger, Und achtest nicht des Ursprungs, Du, des Oceans Sohn, des Titanenfreundes? Die Liebesboten, welche der Vater schickt, Kennst Du die lebenathmenden Lüfte nicht? Und trifft das Wort Dich nicht, das hell von Oben der wachende Gott Dir sendet? -- Schon tönt, schon tönt es ihm in der Brust! es quillt, Wie da er noch im Schoose der Felsen spielt', Ihm auf; und nun gedenkt er seiner Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er, Der Zauderer, er spottet der Fesseln nun, Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen Im Zorne, spielend, da und dort zum Schallenden Ufer; und von der Stimme Der gefeſſelte Strom. Was ſchlaͤfſt und traͤumſt Du, Juͤngling! gehuͤllt in Dich, Und ſaͤumſt am kalten Ufer, Geduldiger, Und achteſt nicht des Urſprungs, Du, des Oceans Sohn, des Titanenfreundes? Die Liebesboten, welche der Vater ſchickt, Kennſt Du die lebenathmenden Luͤfte nicht? Und trifft das Wort Dich nicht, das hell von Oben der wachende Gott Dir ſendet? — Schon toͤnt, ſchon toͤnt es ihm in der Bruſt! es quillt, Wie da er noch im Schooſe der Felſen ſpielt', Ihm auf; und nun gedenkt er ſeiner Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er, Der Zauderer, er ſpottet der Feſſeln nun, Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen Im Zorne, ſpielend, da und dort zum Schallenden Ufer; und von der Stimme <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0045" n="37"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Der gefeſſelte Strom</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was ſchlaͤfſt und traͤumſt Du, Juͤngling! gehuͤllt</l><lb/> <l>in Dich,</l><lb/> <l>Und ſaͤumſt am kalten Ufer, Geduldiger,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Und achteſt nicht des Urſprungs, Du, des</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Oceans Sohn, des Titanenfreundes?</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Liebesboten, welche der Vater ſchickt,</l><lb/> <l>Kennſt Du die lebenathmenden Luͤfte nicht?</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Und trifft das Wort Dich nicht, das hell von</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Oben der wachende Gott Dir ſendet? —</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Schon toͤnt, ſchon toͤnt es ihm in der Bruſt! es</l><lb/> <l>quillt,</l><lb/> <l>Wie da er noch im Schooſe der Felſen ſpielt',</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Ihm auf; und nun gedenkt er ſeiner</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er,</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Zauderer, er ſpottet der Feſſeln nun,</l><lb/> <l>Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Im Zorne, ſpielend, da und dort zum</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schallenden Ufer; und von der Stimme</hi> </l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [37/0045]
Der gefeſſelte Strom.
Was ſchlaͤfſt und traͤumſt Du, Juͤngling! gehuͤllt
in Dich,
Und ſaͤumſt am kalten Ufer, Geduldiger,
Und achteſt nicht des Urſprungs, Du, des
Oceans Sohn, des Titanenfreundes?
Die Liebesboten, welche der Vater ſchickt,
Kennſt Du die lebenathmenden Luͤfte nicht?
Und trifft das Wort Dich nicht, das hell von
Oben der wachende Gott Dir ſendet? —
Schon toͤnt, ſchon toͤnt es ihm in der Bruſt! es
quillt,
Wie da er noch im Schooſe der Felſen ſpielt',
Ihm auf; und nun gedenkt er ſeiner
Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er,
Der Zauderer, er ſpottet der Feſſeln nun,
Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen
Im Zorne, ſpielend, da und dort zum
Schallenden Ufer; und von der Stimme
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