Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Die Launischen. Hör' ich ferne nur her, wenn ich für mich geklagt, Saitenspiel und Gesang, schwingt mir das Herz doch gleich; Bald auch bin ich verwandelt, Blinkst du, purpurner Wein! mich an Unter Schatten des Waldes, wo die gewaltige Mittagssonne mir sanft über dem Laube glänzt; Ruhig sitz' ich daselbst, wenn, Zürnend schwerer Beleidigung, Ich im Felde geirrt -- zürnen zu gerne doch Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht, Die Beglückten; wie Kinder, Die zu zärtlich die Mutter hält, Sind sie mürrisch und voll herrischen Eigensinns; Wandeln still sie des Wegs, irret Geringes doch Bald sie wieder; sie reißen Aus dem Gleise sich sträubend Dir. Doch Du rührest sie kaum, Liebende! freundlich an, Sind sie friedlich und fromm; fröhlich gehorchen sie! Du lenkst, Meisterin! sie mit Weichem Zügel, wohin Du willst. Die Launiſchen. Hoͤr' ich ferne nur her, wenn ich fuͤr mich geklagt, Saitenſpiel und Geſang, ſchwingt mir das Herz doch gleich; Bald auch bin ich verwandelt, Blinkſt du, purpurner Wein! mich an Unter Schatten des Waldes, wo die gewaltige Mittagsſonne mir ſanft uͤber dem Laube glaͤnzt; Ruhig ſitz' ich daſelbſt, wenn, Zuͤrnend ſchwerer Beleidigung, Ich im Felde geirrt — zuͤrnen zu gerne doch Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht, Die Begluͤckten; wie Kinder, Die zu zaͤrtlich die Mutter haͤlt, Sind ſie muͤrriſch und voll herriſchen Eigenſinns; Wandeln ſtill ſie des Wegs, irret Geringes doch Bald ſie wieder; ſie reißen Aus dem Gleiſe ſich ſtraͤubend Dir. Doch Du ruͤhreſt ſie kaum, Liebende! freundlich an, Sind ſie friedlich und fromm; froͤhlich gehorchen ſie! Du lenkſt, Meiſterin! ſie mit Weichem Zuͤgel, wohin Du willſt. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0051" n="43"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Die Launiſchen</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hoͤr' ich ferne nur her, wenn ich fuͤr mich geklagt,</l><lb/> <l>Saitenſpiel und Geſang, ſchwingt mir das Herz</l><lb/> <l>doch gleich;</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Bald auch bin ich verwandelt,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Blinkſt du, purpurner Wein! mich an</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Unter Schatten des Waldes, wo die gewaltige</l><lb/> <l>Mittagsſonne mir ſanft uͤber dem Laube glaͤnzt;</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Ruhig ſitz' ich daſelbſt, wenn,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Zuͤrnend ſchwerer Beleidigung,</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich im Felde geirrt — zuͤrnen zu gerne doch</l><lb/> <l>Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Die Begluͤckten; wie Kinder,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Die zu zaͤrtlich die Mutter haͤlt,</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sind ſie muͤrriſch und voll herriſchen Eigenſinns;</l><lb/> <l>Wandeln ſtill ſie des Wegs, irret Geringes doch</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Bald ſie wieder; ſie reißen</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Aus dem Gleiſe ſich ſtraͤubend Dir.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch Du ruͤhreſt ſie kaum, Liebende! freundlich an,</l><lb/> <l>Sind ſie friedlich und fromm; froͤhlich gehorchen ſie!</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Du lenkſt, Meiſterin! ſie mit</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Weichem Zuͤgel, wohin Du willſt.</hi> </l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [43/0051]
Die Launiſchen.
Hoͤr' ich ferne nur her, wenn ich fuͤr mich geklagt,
Saitenſpiel und Geſang, ſchwingt mir das Herz
doch gleich;
Bald auch bin ich verwandelt,
Blinkſt du, purpurner Wein! mich an
Unter Schatten des Waldes, wo die gewaltige
Mittagsſonne mir ſanft uͤber dem Laube glaͤnzt;
Ruhig ſitz' ich daſelbſt, wenn,
Zuͤrnend ſchwerer Beleidigung,
Ich im Felde geirrt — zuͤrnen zu gerne doch
Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht,
Die Begluͤckten; wie Kinder,
Die zu zaͤrtlich die Mutter haͤlt,
Sind ſie muͤrriſch und voll herriſchen Eigenſinns;
Wandeln ſtill ſie des Wegs, irret Geringes doch
Bald ſie wieder; ſie reißen
Aus dem Gleiſe ſich ſtraͤubend Dir.
Doch Du ruͤhreſt ſie kaum, Liebende! freundlich an,
Sind ſie friedlich und fromm; froͤhlich gehorchen ſie!
Du lenkſt, Meiſterin! ſie mit
Weichem Zuͤgel, wohin Du willſt.
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