Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Lebenslauf.

Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All' uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Und es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.
Aufwärts oder hinab! wehet in heil'ger Nacht, -
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Weht im nüchternen Orkus
Nicht ein liebender Athem auch?
Dieß erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern
gleich,
Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht,
Mich des ebenen Pfads geführt.
Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern',
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.

Lebenslauf.

Groͤßeres wollteſt auch du, aber die Liebe zwingt
All' uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Und es kehret umſonſt nicht
Unſer Bogen, woher er kommt.
Aufwaͤrts oder hinab! wehet in heil'ger Nacht, ‒
Wo die ſtumme Natur werdende Tage ſinnt,
Weht im nuͤchternen Orkus
Nicht ein liebender Athem auch?
Dieß erfuhr ich. Denn nie, ſterblichen Meiſtern
gleich,
Habt ihr Himmliſchen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wuͤßte, mit Vorſicht,
Mich des ebenen Pfads gefuͤhrt.
Alles pruͤfe der Menſch, ſagen die Himmliſchen,
Daß er, kraͤftig genaͤhrt, danken fuͤr Alles lern',
Und verſtehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0083" n="75"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Lebenslauf</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Gro&#x0364;ßeres wollte&#x017F;t auch du, aber die Liebe zwingt</l><lb/>
            <l>All' uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Und es kehret um&#x017F;on&#x017F;t nicht</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Un&#x017F;er Bogen, woher er kommt.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Aufwa&#x0364;rts oder hinab! wehet in heil'ger Nacht, &#x2012;</l><lb/>
            <l>Wo die &#x017F;tumme Natur werdende Tage &#x017F;innt,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Weht im nu&#x0364;chternen Orkus</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Nicht ein liebender Athem auch?</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Dieß erfuhr ich. Denn nie, &#x017F;terblichen Mei&#x017F;tern</l><lb/>
            <l>gleich,</l><lb/>
            <l>Habt ihr Himmli&#x017F;chen, ihr Alleserhaltenden,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Daß ich wu&#x0364;ßte, mit Vor&#x017F;icht,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Mich des ebenen Pfads gefu&#x0364;hrt.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Alles pru&#x0364;fe der Men&#x017F;ch, &#x017F;agen die Himmli&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Daß er, kra&#x0364;ftig gena&#x0364;hrt, danken fu&#x0364;r Alles lern',</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Und ver&#x017F;tehe die Freiheit,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Aufzubrechen, wohin er will.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <l/>
        </lg>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0083] Lebenslauf. Groͤßeres wollteſt auch du, aber die Liebe zwingt All' uns nieder, das Leid beuget gewaltiger, Und es kehret umſonſt nicht Unſer Bogen, woher er kommt. Aufwaͤrts oder hinab! wehet in heil'ger Nacht, ‒ Wo die ſtumme Natur werdende Tage ſinnt, Weht im nuͤchternen Orkus Nicht ein liebender Athem auch? Dieß erfuhr ich. Denn nie, ſterblichen Meiſtern gleich, Habt ihr Himmliſchen, ihr Alleserhaltenden, Daß ich wuͤßte, mit Vorſicht, Mich des ebenen Pfads gefuͤhrt. Alles pruͤfe der Menſch, ſagen die Himmliſchen, Daß er, kraͤftig genaͤhrt, danken fuͤr Alles lern', Und verſtehe die Freiheit, Aufzubrechen, wohin er will.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/83
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/83>, abgerufen am 21.11.2024.