Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Der Abschied. Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug? Da wirs thaten, warum schreckte, wie Mord, die That? Ach! wir kennen uns wenig, Denn es waltet ein Gott in uns. Den verrathen? ach ihn, welcher uns alles erst, Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden Schutzgott unserer Liebe, Dieß, dieß Eine vermag ich nicht. Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn, Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht, Und es fordert die Seele Tag für Tag der Gebrauch uns ab. Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt, Muß, mit Blut sie zu sühnen, Muß der Liebenden Herz vergehn. Der Abſchied. Trennen wollten wir uns? waͤhnten es gut und klug? Da wirs thaten, warum ſchreckte, wie Mord, die That? Ach! wir kennen uns wenig, Denn es waltet ein Gott in uns. Den verrathen? ach ihn, welcher uns alles erſt, Sinn und Leben erſchuf, ihn, den beſeelenden Schutzgott unſerer Liebe, Dieß, dieß Eine vermag ich nicht. Aber anderen Fehl denket der Menſchen Sinn, Andern ehernen Dienſt uͤbt er und anders Recht, Und es fordert die Seele Tag fuͤr Tag der Gebrauch uns ab. Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte Allentzweiende Haß Goͤtter und Menſchen trennt, Muß, mit Blut ſie zu ſuͤhnen, Muß der Liebenden Herz vergehn. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0084" n="76"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Der Abſchied</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Trennen wollten wir uns? waͤhnten es gut und klug?</l><lb/> <l>Da wirs thaten, warum ſchreckte, wie Mord, die</l><lb/> <l>That?</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Ach! wir kennen uns wenig,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Denn es waltet ein Gott in uns.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Den verrathen? ach ihn, welcher uns alles erſt,</l><lb/> <l>Sinn und Leben erſchuf, ihn, den beſeelenden</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schutzgott unſerer Liebe,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Dieß, dieß Eine vermag ich nicht.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Aber anderen Fehl denket der Menſchen Sinn,</l><lb/> <l>Andern ehernen Dienſt uͤbt er und anders Recht,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Und es fordert die Seele</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Tag fuͤr Tag der Gebrauch uns ab.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte</l><lb/> <l>Allentzweiende Haß Goͤtter und Menſchen trennt,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Muß, mit Blut ſie zu ſuͤhnen,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Muß der Liebenden Herz vergehn.</hi> </l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [76/0084]
Der Abſchied.
Trennen wollten wir uns? waͤhnten es gut und klug?
Da wirs thaten, warum ſchreckte, wie Mord, die
That?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.
Den verrathen? ach ihn, welcher uns alles erſt,
Sinn und Leben erſchuf, ihn, den beſeelenden
Schutzgott unſerer Liebe,
Dieß, dieß Eine vermag ich nicht.
Aber anderen Fehl denket der Menſchen Sinn,
Andern ehernen Dienſt uͤbt er und anders Recht,
Und es fordert die Seele
Tag fuͤr Tag der Gebrauch uns ab.
Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Goͤtter und Menſchen trennt,
Muß, mit Blut ſie zu ſuͤhnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.
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