Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.wie Mitternacht, vor deiner Seele, da er für Dich dahin war. Siehest Du nun auch, warum der kleinste Zweifel über Alabanda zur Verzweiflung werden musst' in Dir? warum Du ihn verstiessest, weil er nur nicht gar ein Gott war? Du wolltest keine Menschen, glaube mir, Du wolltest eine Welt. Den Verlust von allen goldenen Jahrhunderten, so wie Du sie, zusammengedrängt in Einen glüklichen Moment, empfandest, den Geist von allen Geistern bessrer Zeit, die Kraft von allen Kräften der Heroen, die sollte Dir ein Einzelner, ein Mensch ersezen! - Siehest Du nun, wie arm, wie reich Du bist? warum Du so stolz seyn musst und auch so niedergeschlagen? warum so schröklich Freude und Laid Dir wechselt? Darum, weil Du alles hast und nichts, weil das Phantom der goldenen Tage, die da kommen sollen, Dein gehört, und doch nicht da ist, weil Du ein Bürger bist in den Regionen der Gerechtigkeit und Schönheit, ein Gott bist unter Göttern in den schönen Träumen, die am Tage Dich beschleichen, und wenn Du aufwachst, auf neu griechischem Boden stehst. Zweimal, sagtest Du? o Du wirst in Einem Tage siebzigmal vom Himmel auf die Erde wie Mitternacht, vor deiner Seele, da er für Dich dahin war. Siehest Du nun auch, warum der kleinste Zweifel über Alabanda zur Verzweiflung werden musst’ in Dir? warum Du ihn verstiessest, weil er nur nicht gar ein Gott war? Du wolltest keine Menschen, glaube mir, Du wolltest eine Welt. Den Verlust von allen goldenen Jahrhunderten, so wie Du sie, zusammengedrängt in Einen glüklichen Moment, empfandest, den Geist von allen Geistern bessrer Zeit, die Kraft von allen Kräften der Heroën, die sollte Dir ein Einzelner, ein Mensch ersezen! – Siehest Du nun, wie arm, wie reich Du bist? warum Du so stolz seyn musst und auch so niedergeschlagen? warum so schröklich Freude und Laid Dir wechselt? Darum, weil Du alles hast und nichts, weil das Phantom der goldenen Tage, die da kommen sollen, Dein gehört, und doch nicht da ist, weil Du ein Bürger bist in den Regionen der Gerechtigkeit und Schönheit, ein Gott bist unter Göttern in den schönen Träumen, die am Tage Dich beschleichen, und wenn Du aufwachst, auf neu griechischem Boden stehst. Zweimal, sagtest Du? o Du wirst in Einem Tage siebzigmal vom Himmel auf die Erde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0125"/> wie Mitternacht, vor deiner Seele, da er für Dich dahin war.</p><lb/> <p>Siehest Du nun auch, warum der kleinste Zweifel über Alabanda zur Verzweiflung werden musst’ in Dir? warum Du ihn verstiessest, weil er nur nicht gar ein Gott war?</p><lb/> <p>Du wolltest keine Menschen, glaube mir, Du wolltest eine Welt. Den Verlust von allen goldenen Jahrhunderten, so wie Du sie, zusammengedrängt in Einen glüklichen Moment, empfandest, den Geist von allen Geistern bessrer Zeit, die Kraft von allen Kräften der Heroën, die sollte Dir ein Einzelner, ein Mensch ersezen! – Siehest Du nun, wie arm, wie reich Du bist? warum Du so stolz seyn musst und auch so niedergeschlagen? warum so schröklich Freude und Laid Dir wechselt?</p><lb/> <p>Darum, weil Du alles hast und nichts, weil das Phantom der goldenen Tage, die da kommen sollen, Dein gehört, und doch nicht da ist, weil Du ein Bürger bist in den Regionen der Gerechtigkeit und Schönheit, ein Gott bist unter Göttern in den schönen Träumen, die am Tage Dich beschleichen, und wenn Du aufwachst, auf neu griechischem Boden stehst.</p><lb/> <p>Zweimal, sagtest Du? o Du wirst in Einem Tage siebzigmal vom Himmel auf die Erde </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
wie Mitternacht, vor deiner Seele, da er für Dich dahin war.
Siehest Du nun auch, warum der kleinste Zweifel über Alabanda zur Verzweiflung werden musst’ in Dir? warum Du ihn verstiessest, weil er nur nicht gar ein Gott war?
Du wolltest keine Menschen, glaube mir, Du wolltest eine Welt. Den Verlust von allen goldenen Jahrhunderten, so wie Du sie, zusammengedrängt in Einen glüklichen Moment, empfandest, den Geist von allen Geistern bessrer Zeit, die Kraft von allen Kräften der Heroën, die sollte Dir ein Einzelner, ein Mensch ersezen! – Siehest Du nun, wie arm, wie reich Du bist? warum Du so stolz seyn musst und auch so niedergeschlagen? warum so schröklich Freude und Laid Dir wechselt?
Darum, weil Du alles hast und nichts, weil das Phantom der goldenen Tage, die da kommen sollen, Dein gehört, und doch nicht da ist, weil Du ein Bürger bist in den Regionen der Gerechtigkeit und Schönheit, ein Gott bist unter Göttern in den schönen Träumen, die am Tage Dich beschleichen, und wenn Du aufwachst, auf neu griechischem Boden stehst.
Zweimal, sagtest Du? o Du wirst in Einem Tage siebzigmal vom Himmel auf die Erde
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/125 |
Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/125>, abgerufen am 16.07.2024. |