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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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mich gerettet. Mein Hauptmann war ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles, was mir blieb. Ich zog mich aus und ruht im Sonnenschein und trocknete die Kleider an den Sträuchen. Drauf gieng ich weiter auf der Straße nach der Stadt. Noch vor den Thoren sah' ich heitere Gesellschaft in den Gärten, gieng hinein, und sang ein griechisch lustig Lied. Ein trauriges kannt' ich nicht. Ich glühte dabei vor Schaam und Schmerz, mein Unglük so zur Schau zu tragen. Ich war ein achtzehnjähriger Knabe, wild und stolz, und haßt' es wie den Tod, zum Gegenstande der Menschen zu werden. Vergebt mir, sagt' ich, da ich fertig war mit meinem Liede; ich komme so eben aus dem Schiffbruch und weiß der Welt für heute keinen bessern Dienst zu thun, als ihr zu singen. Ich hatte das, so gut es gieng, in spanischer Sprache gesagt. Ein Mann mit ausgezeichnetem Gesichte trat mir näher, gab mir Geld und sagt' in unserer Sprache mit Lächeln: Da! kauf einen Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs veste Land. Der Rath gefiel mir. Herr! das will ich in der That; erwiedert' ich. Noch wurd' ich reichlich von den Übrigen beschenkt und gieng und that, wie mir der Mann gerathen hatte,

mich gerettet. Mein Hauptmann war ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles, was mir blieb. Ich zog mich aus und ruht im Sonnenschein und trocknete die Kleider an den Sträuchen. Drauf gieng ich weiter auf der Straße nach der Stadt. Noch vor den Thoren sah’ ich heitere Gesellschaft in den Gärten, gieng hinein, und sang ein griechisch lustig Lied. Ein trauriges kannt’ ich nicht. Ich glühte dabei vor Schaam und Schmerz, mein Unglük so zur Schau zu tragen. Ich war ein achtzehnjähriger Knabe, wild und stolz, und haßt’ es wie den Tod, zum Gegenstande der Menschen zu werden. Vergebt mir, sagt’ ich, da ich fertig war mit meinem Liede; ich komme so eben aus dem Schiffbruch und weiß der Welt für heute keinen bessern Dienst zu thun, als ihr zu singen. Ich hatte das, so gut es gieng, in spanischer Sprache gesagt. Ein Mann mit ausgezeichnetem Gesichte trat mir näher, gab mir Geld und sagt’ in unserer Sprache mit Lächeln: Da! kauf einen Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs veste Land. Der Rath gefiel mir. Herr! das will ich in der That; erwiedert’ ich. Noch wurd’ ich reichlich von den Übrigen beschenkt und gieng und that, wie mir der Mann gerathen hatte,

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[0084] mich gerettet. Mein Hauptmann war ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles, was mir blieb. Ich zog mich aus und ruht im Sonnenschein und trocknete die Kleider an den Sträuchen. Drauf gieng ich weiter auf der Straße nach der Stadt. Noch vor den Thoren sah’ ich heitere Gesellschaft in den Gärten, gieng hinein, und sang ein griechisch lustig Lied. Ein trauriges kannt’ ich nicht. Ich glühte dabei vor Schaam und Schmerz, mein Unglük so zur Schau zu tragen. Ich war ein achtzehnjähriger Knabe, wild und stolz, und haßt’ es wie den Tod, zum Gegenstande der Menschen zu werden. Vergebt mir, sagt’ ich, da ich fertig war mit meinem Liede; ich komme so eben aus dem Schiffbruch und weiß der Welt für heute keinen bessern Dienst zu thun, als ihr zu singen. Ich hatte das, so gut es gieng, in spanischer Sprache gesagt. Ein Mann mit ausgezeichnetem Gesichte trat mir näher, gab mir Geld und sagt’ in unserer Sprache mit Lächeln: Da! kauf einen Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs veste Land. Der Rath gefiel mir. Herr! das will ich in der That; erwiedert’ ich. Noch wurd’ ich reichlich von den Übrigen beschenkt und gieng und that, wie mir der Mann gerathen hatte,

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/84>, abgerufen am 25.11.2024.