Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

um Theologie zu studiren. Sein Vater bestimmte ihm
die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und versorgte
ihn hinlänglich. Auch vergass Hölty seine Bestimmung
nicht, sondern lernte mit grosser Gewissenhaftigkeit
alles, was einem künftigen Prediger nöthig ist. Indess
blieb einem Geiste, wie der seinige war, noch Zeit
genug, sich mit Lesung der Alten und Neuen, (er las nun
auch Italienisch,) und mit eigenen Arbeiten zu beschäf¬
tigen.

Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller,
und von Ostern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn,
Leisewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt.
Er bat seinen Vater, ihn noch in Göttingen zu lassen;
und ihm ward vorerst noch ein halbes Jahr bewilligt.
Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches
von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitisch,
(wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitische be¬
stand,) und eine Stelle im philologischen Seminarium er¬
hielt. Er meldete dieses seinem Vater, und erbot sich,
was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬
richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem
zufrieden.

Wer Hölty zum erstenmal sah, hielt ihn nicht leicht
für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬
bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blass wie der

Tod,

um Theologie zu ſtudiren. Sein Vater beſtimmte ihm
die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und verſorgte
ihn hinlänglich. Auch vergaſs Hölty ſeine Beſtimmung
nicht, ſondern lernte mit groſſer Gewiſſenhaftigkeit
alles, was einem künftigen Prediger nöthig iſt. Indeſs
blieb einem Geiſte, wie der ſeinige war, noch Zeit
genug, ſich mit Leſung der Alten und Neuen, (er las nun
auch Italieniſch,) und mit eigenen Arbeiten zu beſchäf¬
tigen.

Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller,
und von Oſtern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn,
Leiſewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt.
Er bat ſeinen Vater, ihn noch in Göttingen zu laſſen;
und ihm ward vorerſt noch ein halbes Jahr bewilligt.
Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches
von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitiſch,
(wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitiſche be¬
ſtand,) und eine Stelle im philologiſchen Seminarium er¬
hielt. Er meldete dieſes ſeinem Vater, und erbot ſich,
was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬
richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem
zufrieden.

Wer Hölty zum erſtenmal ſah, hielt ihn nicht leicht
für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬
bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blaſs wie der

Tod,
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="VIII"/>
um Theologie zu &#x017F;tudiren. Sein Vater be&#x017F;timmte ihm<lb/>
die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und ver&#x017F;orgte<lb/>
ihn hinlänglich. Auch verga&#x017F;s Hölty &#x017F;eine Be&#x017F;timmung<lb/>
nicht, &#x017F;ondern lernte mit gro&#x017F;&#x017F;er Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit<lb/>
alles, was einem künftigen Prediger nöthig i&#x017F;t. Inde&#x017F;s<lb/>
blieb einem Gei&#x017F;te, wie der &#x017F;einige war, noch Zeit<lb/>
genug, &#x017F;ich mit Le&#x017F;ung der Alten und Neuen, (er las nun<lb/>
auch Italieni&#x017F;ch,) und mit eigenen Arbeiten zu be&#x017F;chäf¬<lb/>
tigen.</p><lb/>
        <p>Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller,<lb/>
und von O&#x017F;tern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn,<lb/>
Lei&#x017F;ewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt.<lb/>
Er bat &#x017F;einen Vater, ihn noch in Göttingen zu la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
und ihm ward vorer&#x017F;t noch ein halbes Jahr bewilligt.<lb/>
Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches<lb/>
von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freiti&#x017F;ch,<lb/>
(wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freiti&#x017F;che be¬<lb/>
&#x017F;tand,) und eine Stelle im philologi&#x017F;chen Seminarium er¬<lb/>
hielt. Er meldete die&#x017F;es &#x017F;einem Vater, und erbot &#x017F;ich,<lb/>
was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬<lb/>
richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem<lb/>
zufrieden.</p><lb/>
        <p>Wer Hölty zum er&#x017F;tenmal &#x017F;ah, hielt ihn nicht leicht<lb/>
für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬<lb/>
bückt, unbehülflich, von trägem Gange, bla&#x017F;s wie der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tod,<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VIII/0016] um Theologie zu ſtudiren. Sein Vater beſtimmte ihm die gewöhnliche Zeit von drei Jahren, und verſorgte ihn hinlänglich. Auch vergaſs Hölty ſeine Beſtimmung nicht, ſondern lernte mit groſſer Gewiſſenhaftigkeit alles, was einem künftigen Prediger nöthig iſt. Indeſs blieb einem Geiſte, wie der ſeinige war, noch Zeit genug, ſich mit Leſung der Alten und Neuen, (er las nun auch Italieniſch,) und mit eigenen Arbeiten zu beſchäf¬ tigen. Im dritten Jahre ward er mit Bürger und Miller, und von Oſtern 1772 an allmählich mit mir, Boie, Hahn, Leiſewiz, Cramer und den Grafen Stolberg bekannt. Er bat ſeinen Vater, ihn noch in Göttingen zu laſſen; und ihm ward vorerſt noch ein halbes Jahr bewilligt. Aber Hölty ruhte nicht, bis er ein Stipendium, welches von zwei Damen abhing, imgleichen einen Freitiſch, (wofern nicht etwa jenes Stipendium im Freitiſche be¬ ſtand,) und eine Stelle im philologiſchen Seminarium er¬ hielt. Er meldete dieſes ſeinem Vater, und erbot ſich, was ihm vielleicht noch fehlen möchte, durch Unter¬ richt zu verdienen. Sein gütiger Vater war mit allem zufrieden. Wer Hölty zum erſtenmal ſah, hielt ihn nicht leicht für das, was er war. Stark von Wuchs, niederge¬ bückt, unbehülflich, von trägem Gange, blaſs wie der Tod,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/16
Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/16>, abgerufen am 21.11.2024.