und des Priors, als ich in der tiefsten Tiefe meiner Seele, wohl die Wahrheit derselben fühlte; aber immer fester und fester behar¬ rend in meinem Thun, mich stärkend durch Tropfen Weins aus der geheimnißvollen Fla¬ sche, fuhr ich fort, meine Predigten mit al¬ len Künsten der Rhetorik auszuschmücken und mein Mienenspiel, meine Gestikulationen sorg¬ fältig zu studieren, und so gewann ich des Beifalls, der Bewunderung immer mehr und mehr.
Das Morgenlicht brach in farbigten Strahlen durch die bunten Fenster der Klo¬ sterkirche; einsam, und in tiefe Gedanken ver¬ sunken, saß ich im Beichtstuhl; nur die Tritte des dienenden Layenbruders, der die Kirche reinigte, hallten durch das Gewölbe. Da rauschte es in meiner Nähe, und ich erblick¬ te ein großes schlankes Frauenzimmer, auf fremdartige Weise gekleidet, einen Schleier über das Gesicht gehängt, die durch die Sei¬ tenpforte hereingetreten, sich mir nahte, um
und des Priors, als ich in der tiefſten Tiefe meiner Seele, wohl die Wahrheit derſelben fuͤhlte; aber immer feſter und feſter behar¬ rend in meinem Thun, mich ſtaͤrkend durch Tropfen Weins aus der geheimnißvollen Fla¬ ſche, fuhr ich fort, meine Predigten mit al¬ len Kuͤnſten der Rhetorik auszuſchmuͤcken und mein Mienenſpiel, meine Geſtikulationen ſorg¬ faͤltig zu ſtudieren, und ſo gewann ich des Beifalls, der Bewunderung immer mehr und mehr.
Das Morgenlicht brach in farbigten Strahlen durch die bunten Fenſter der Klo¬ ſterkirche; einſam, und in tiefe Gedanken ver¬ ſunken, ſaß ich im Beichtſtuhl; nur die Tritte des dienenden Layenbruders, der die Kirche reinigte, hallten durch das Gewoͤlbe. Da rauſchte es in meiner Naͤhe, und ich erblick¬ te ein großes ſchlankes Frauenzimmer, auf fremdartige Weiſe gekleidet, einen Schleier uͤber das Geſicht gehaͤngt, die durch die Sei¬ tenpforte hereingetreten, ſich mir nahte, um
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und des Priors, als ich in der tiefſten Tiefe
meiner Seele, wohl die Wahrheit derſelben
fuͤhlte; aber immer feſter und feſter behar¬
rend in meinem Thun, mich ſtaͤrkend durch
Tropfen Weins aus der geheimnißvollen Fla¬
ſche, fuhr ich fort, meine Predigten mit al¬
len Kuͤnſten der Rhetorik auszuſchmuͤcken und
mein Mienenſpiel, meine Geſtikulationen ſorg¬
faͤltig zu ſtudieren, und ſo gewann ich des
Beifalls, der Bewunderung immer mehr
und mehr.
Das Morgenlicht brach in farbigten
Strahlen durch die bunten Fenſter der Klo¬
ſterkirche; einſam, und in tiefe Gedanken ver¬
ſunken, ſaß ich im Beichtſtuhl; nur die Tritte
des dienenden Layenbruders, der die Kirche
reinigte, hallten durch das Gewoͤlbe. Da
rauſchte es in meiner Naͤhe, und ich erblick¬
te ein großes ſchlankes Frauenzimmer, auf
fremdartige Weiſe gekleidet, einen Schleier
uͤber das Geſicht gehaͤngt, die durch die Sei¬
tenpforte hereingetreten, ſich mir nahte, um
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/100>, abgerufen am 21.11.2024.
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