der nach dem Ideal strebt? -- In Ordnung bringen! -- ein kaltes Wort mein Herr!" --
Ich bat den wunderlichen kleinen Mann, sich nicht so zu ereifern, indem ich seiner Geschicklichkeit alles zutraue. "Geschicklich¬ keit? fuhr er in seinem Eifer fort, was ist Geschicklichkeit? -- Wer war geschickt? -- Je¬ ner der das Maaß nahm, nach fünf Augen¬ längen und dann springend dreißig Ellen weit in den Graben stürzte? -- Jener der ein Lin¬ senkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein Nähnadelöhr schleuderte? -- Jener der fünf Centner an den Degen hing, und so ihn an der Nasenspitze balanzirte sechs Stunden, sechs Minuten, sechs Sekunden und einen Au¬ genblick? -- Ha was ist Geschicklichkeit! Sie ist fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunst die heilige durchdringt. -- Die Kunst, mein Herr, die Kunst! -- Meine Fantasie irrt in dem wunderbaren Lockenbau, in dem künstli¬ chen Gefüge, das der Zephirhauch in Wellen¬ zirkeln baut und zerstört. -- Da schafft sie
der nach dem Ideal ſtrebt? — In Ordnung bringen! — ein kaltes Wort mein Herr!“ —
Ich bat den wunderlichen kleinen Mann, ſich nicht ſo zu ereifern, indem ich ſeiner Geſchicklichkeit alles zutraue. „Geſchicklich¬ keit? fuhr er in ſeinem Eifer fort, was iſt Geſchicklichkeit? — Wer war geſchickt? — Je¬ ner der das Maaß nahm, nach fuͤnf Augen¬ laͤngen und dann ſpringend dreißig Ellen weit in den Graben ſtuͤrzte? — Jener der ein Lin¬ ſenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein Naͤhnadeloͤhr ſchleuderte? — Jener der fuͤnf Centner an den Degen hing, und ſo ihn an der Naſenſpitze balanzirte ſechs Stunden, ſechs Minuten, ſechs Sekunden und einen Au¬ genblick? — Ha was iſt Geſchicklichkeit! Sie iſt fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunſt die heilige durchdringt. — Die Kunſt, mein Herr, die Kunſt! — Meine Fantaſie irrt in dem wunderbaren Lockenbau, in dem kuͤnſtli¬ chen Gefuͤge, das der Zephirhauch in Wellen¬ zirkeln baut und zerſtoͤrt. — Da ſchafft ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0219"n="203"/>
der nach dem Ideal ſtrebt? — In Ordnung<lb/>
bringen! — ein kaltes Wort mein Herr!“—</p><lb/><p>Ich bat den wunderlichen kleinen Mann,<lb/>ſich nicht ſo zu ereifern, indem ich ſeiner<lb/>
Geſchicklichkeit alles zutraue. „Geſchicklich¬<lb/>
keit? fuhr er in ſeinem Eifer fort, was iſt<lb/>
Geſchicklichkeit? — Wer war geſchickt? — Je¬<lb/>
ner der das Maaß nahm, nach fuͤnf Augen¬<lb/>
laͤngen und dann ſpringend dreißig Ellen weit<lb/>
in den Graben ſtuͤrzte? — Jener der ein Lin¬<lb/>ſenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein<lb/>
Naͤhnadeloͤhr ſchleuderte? — Jener der fuͤnf<lb/>
Centner an den Degen hing, und ſo ihn an<lb/>
der Naſenſpitze balanzirte ſechs Stunden,<lb/>ſechs Minuten, ſechs Sekunden und einen Au¬<lb/>
genblick? — Ha was iſt Geſchicklichkeit! Sie<lb/>
iſt fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunſt<lb/>
die heilige durchdringt. — Die Kunſt, mein<lb/>
Herr, die Kunſt! — Meine Fantaſie irrt in<lb/>
dem wunderbaren Lockenbau, in dem kuͤnſtli¬<lb/>
chen Gefuͤge, das der Zephirhauch in Wellen¬<lb/>
zirkeln baut und zerſtoͤrt. — Da ſchafft ſie<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[203/0219]
der nach dem Ideal ſtrebt? — In Ordnung
bringen! — ein kaltes Wort mein Herr!“ —
Ich bat den wunderlichen kleinen Mann,
ſich nicht ſo zu ereifern, indem ich ſeiner
Geſchicklichkeit alles zutraue. „Geſchicklich¬
keit? fuhr er in ſeinem Eifer fort, was iſt
Geſchicklichkeit? — Wer war geſchickt? — Je¬
ner der das Maaß nahm, nach fuͤnf Augen¬
laͤngen und dann ſpringend dreißig Ellen weit
in den Graben ſtuͤrzte? — Jener der ein Lin¬
ſenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein
Naͤhnadeloͤhr ſchleuderte? — Jener der fuͤnf
Centner an den Degen hing, und ſo ihn an
der Naſenſpitze balanzirte ſechs Stunden,
ſechs Minuten, ſechs Sekunden und einen Au¬
genblick? — Ha was iſt Geſchicklichkeit! Sie
iſt fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunſt
die heilige durchdringt. — Die Kunſt, mein
Herr, die Kunſt! — Meine Fantaſie irrt in
dem wunderbaren Lockenbau, in dem kuͤnſtli¬
chen Gefuͤge, das der Zephirhauch in Wellen¬
zirkeln baut und zerſtoͤrt. — Da ſchafft ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/219>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.