Mönche, und betete leise. Aber ganz unver¬ muthet fing er einmal an lateinische Lieder zu singen, die meiner Alten und der Anne, unerachtet sie die Worte nicht verstanden, mit ihren ganz wunderbaren heiligen Tönen bis ins Innerste drangen, so daß sie nicht genug sagen konnten, wie der Kranke sie er¬ baue. Der Mönch war so weit hergestellt, daß er aufstehen, und im Hause umherwan¬ deln konnte, aber sein Aussehen, sein Wesen war ganz verändert. Die Augen blickten sanft, statt daß sonst ein gar böses Feuer in ihnen funkelte, er schritt ganz nach Kloster¬ sitte, leise und andächtig mit gefaltenen Händen umher, jede Spur des Wahnsinns war verschwunden. Er genoß nichts als Ge¬ müse, Brod und Wasser, und nur selten konnte ich ihn in der letzten Zeit dahin brin¬ gen, daß er sich an meinen Tisch setzte, und etwas von den Speisen genoß, so wie einen kleinen Schluck Wein trank. Dann sprach er das Gratias und ergötzte uns mit seinen
Moͤnche, und betete leiſe. Aber ganz unver¬ muthet fing er einmal an lateiniſche Lieder zu ſingen, die meiner Alten und der Anne, unerachtet ſie die Worte nicht verſtanden, mit ihren ganz wunderbaren heiligen Toͤnen bis ins Innerſte drangen, ſo daß ſie nicht genug ſagen konnten, wie der Kranke ſie er¬ baue. Der Moͤnch war ſo weit hergeſtellt, daß er aufſtehen, und im Hauſe umherwan¬ deln konnte, aber ſein Ausſehen, ſein Weſen war ganz veraͤndert. Die Augen blickten ſanft, ſtatt daß ſonſt ein gar boͤſes Feuer in ihnen funkelte, er ſchritt ganz nach Kloſter¬ ſitte, leiſe und andaͤchtig mit gefaltenen Haͤnden umher, jede Spur des Wahnſinns war verſchwunden. Er genoß nichts als Ge¬ muͤſe, Brod und Waſſer, und nur ſelten konnte ich ihn in der letzten Zeit dahin brin¬ gen, daß er ſich an meinen Tiſch ſetzte, und etwas von den Speiſen genoß, ſo wie einen kleinen Schluck Wein trank. Dann ſprach er das Gratias und ergoͤtzte uns mit ſeinen
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Moͤnche, und betete leiſe. Aber ganz unver¬
muthet fing er einmal an lateiniſche Lieder
zu ſingen, die meiner Alten und der Anne,
unerachtet ſie die Worte nicht verſtanden,
mit ihren ganz wunderbaren heiligen Toͤnen
bis ins Innerſte drangen, ſo daß ſie nicht
genug ſagen konnten, wie der Kranke ſie er¬
baue. Der Moͤnch war ſo weit hergeſtellt,
daß er aufſtehen, und im Hauſe umherwan¬
deln konnte, aber ſein Ausſehen, ſein Weſen
war ganz veraͤndert. Die Augen blickten
ſanft, ſtatt daß ſonſt ein gar boͤſes Feuer in
ihnen funkelte, er ſchritt ganz nach Kloſter¬
ſitte, leiſe und andaͤchtig mit gefaltenen
Haͤnden umher, jede Spur des Wahnſinns
war verſchwunden. Er genoß nichts als Ge¬
muͤſe, Brod und Waſſer, und nur ſelten
konnte ich ihn in der letzten Zeit dahin brin¬
gen, daß er ſich an meinen Tiſch ſetzte, und
etwas von den Speiſen genoß, ſo wie einen
kleinen Schluck Wein trank. Dann ſprach
er das Gratias und ergoͤtzte uns mit ſeinen
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/292>, abgerufen am 28.11.2024.
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