flößte mir wahres Mitleiden ein. Ich ließ ihm in einem bessern Gemach ein gutes Bette bereiten, und meine Alte pflegte seiner, in¬ dem sie ihm stärkende Suppen kochte, und aus unserer Hausapotheke das reichte, was ihm dienlich schien. Meine Alte hat die gute Gewohnheit, wenn sie einsam sitzt, oft ein andächtig Lied anzustimmen, aber wenn es ihr recht wohl ums Herz seyn soll, muß meine Anne mit ihrer hellen Stimme, ihr solch ein Lied vorsingen. -- Das geschah nun auch vor dem Bette des Kranken. -- Da seufzte er oft tief, und sah meine Alte und die Anne mit recht wehmüthigen Bli¬ cken an, oft flossen ihm die Thränen über die Wangen. Zuweilen bewegte er die Hand und die Finger, als wolle er sich kreuzigen, aber das gelang nicht, die Hand fiel kraftlos nie¬ der; dann stieß er auch manchmal leise Töne aus, als wolle er in den Gesang einstimmen. Endlich fing er an zusehends zu genesen, jetzt schlug er oft das Kreuz nach Sitte der
floͤßte mir wahres Mitleiden ein. Ich ließ ihm in einem beſſern Gemach ein gutes Bette bereiten, und meine Alte pflegte ſeiner, in¬ dem ſie ihm ſtaͤrkende Suppen kochte, und aus unſerer Hausapotheke das reichte, was ihm dienlich ſchien. Meine Alte hat die gute Gewohnheit, wenn ſie einſam ſitzt, oft ein andaͤchtig Lied anzuſtimmen, aber wenn es ihr recht wohl ums Herz ſeyn ſoll, muß meine Anne mit ihrer hellen Stimme, ihr ſolch ein Lied vorſingen. — Das geſchah nun auch vor dem Bette des Kranken. — Da ſeufzte er oft tief, und ſah meine Alte und die Anne mit recht wehmuͤthigen Bli¬ cken an, oft floſſen ihm die Thraͤnen uͤber die Wangen. Zuweilen bewegte er die Hand und die Finger, als wolle er ſich kreuzigen, aber das gelang nicht, die Hand fiel kraftlos nie¬ der; dann ſtieß er auch manchmal leiſe Toͤne aus, als wolle er in den Geſang einſtimmen. Endlich fing er an zuſehends zu geneſen, jetzt ſchlug er oft das Kreuz nach Sitte der
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floͤßte mir wahres Mitleiden ein. Ich ließ
ihm in einem beſſern Gemach ein gutes Bette
bereiten, und meine Alte pflegte ſeiner, in¬
dem ſie ihm ſtaͤrkende Suppen kochte, und
aus unſerer Hausapotheke das reichte, was
ihm dienlich ſchien. Meine Alte hat die
gute Gewohnheit, wenn ſie einſam ſitzt, oft
ein andaͤchtig Lied anzuſtimmen, aber wenn
es ihr recht wohl ums Herz ſeyn ſoll, muß
meine Anne mit ihrer hellen Stimme, ihr
ſolch ein Lied vorſingen. — Das geſchah
nun auch vor dem Bette des Kranken. —
Da ſeufzte er oft tief, und ſah meine Alte
und die Anne mit recht wehmuͤthigen Bli¬
cken an, oft floſſen ihm die Thraͤnen uͤber die
Wangen. Zuweilen bewegte er die Hand und
die Finger, als wolle er ſich kreuzigen, aber
das gelang nicht, die Hand fiel kraftlos nie¬
der; dann ſtieß er auch manchmal leiſe Toͤne
aus, als wolle er in den Geſang einſtimmen.
Endlich fing er an zuſehends zu geneſen,
jetzt ſchlug er oft das Kreuz nach Sitte der
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/291>, abgerufen am 28.11.2024.
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