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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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und zu den tiefsinnigsten Studien ins Klo¬
ster brachte. Meine Brüder liebten mich alle
ausnehmend, und ich lebte so froh, als es
nur in dem Kloster geschehen kann. Durch
Frömmigkeit und musterhaftes Betragen,
schwang ich mich empor, man sah in mir
schon den künftigen Prior. Es begab sich,
daß einer der Brüder von weiten Reisen
heim kehrte, und dem Kloster verschiedene
Reliquien, die er sich auf dem Wege zu ver¬
schaffen gewußt, mitbrachte. Unter diesen
befand sich eine verschlossene Flasche, die der
heilige Antonius dem Teufel, der darin ein
verführerisches Elixier bewahrte, abgenom¬
men haben sollte. Auch diese Reliquie wurde
sorgfältig aufbewahrt, unerachtet mir die Sa¬
che ganz gegen den Geist der Andacht, den
die wahren Reliquien einflößen sollen, und
überhaupt ganz abgeschmackt zu seyn schien.
Aber eine unbeschreibliche Lüsternheit be¬
mächtigte sich meiner, das zu erforschen,
was wohl eigentlich in der Flasche enthalten.

und zu den tiefſinnigſten Studien ins Klo¬
ſter brachte. Meine Bruͤder liebten mich alle
ausnehmend, und ich lebte ſo froh, als es
nur in dem Kloſter geſchehen kann. Durch
Froͤmmigkeit und muſterhaftes Betragen,
ſchwang ich mich empor, man ſah in mir
ſchon den kuͤnftigen Prior. Es begab ſich,
daß einer der Bruͤder von weiten Reiſen
heim kehrte, und dem Kloſter verſchiedene
Reliquien, die er ſich auf dem Wege zu ver¬
ſchaffen gewußt, mitbrachte. Unter dieſen
befand ſich eine verſchloſſene Flaſche, die der
heilige Antonius dem Teufel, der darin ein
verfuͤhreriſches Elixier bewahrte, abgenom¬
men haben ſollte. Auch dieſe Reliquie wurde
ſorgfaͤltig aufbewahrt, unerachtet mir die Sa¬
che ganz gegen den Geiſt der Andacht, den
die wahren Reliquien einfloͤßen ſollen, und
uͤberhaupt ganz abgeſchmackt zu ſeyn ſchien.
Aber eine unbeſchreibliche Luͤſternheit be¬
maͤchtigte ſich meiner, das zu erforſchen,
was wohl eigentlich in der Flaſche enthalten.

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[278/0294] und zu den tiefſinnigſten Studien ins Klo¬ ſter brachte. Meine Bruͤder liebten mich alle ausnehmend, und ich lebte ſo froh, als es nur in dem Kloſter geſchehen kann. Durch Froͤmmigkeit und muſterhaftes Betragen, ſchwang ich mich empor, man ſah in mir ſchon den kuͤnftigen Prior. Es begab ſich, daß einer der Bruͤder von weiten Reiſen heim kehrte, und dem Kloſter verſchiedene Reliquien, die er ſich auf dem Wege zu ver¬ ſchaffen gewußt, mitbrachte. Unter dieſen befand ſich eine verſchloſſene Flaſche, die der heilige Antonius dem Teufel, der darin ein verfuͤhreriſches Elixier bewahrte, abgenom¬ men haben ſollte. Auch dieſe Reliquie wurde ſorgfaͤltig aufbewahrt, unerachtet mir die Sa¬ che ganz gegen den Geiſt der Andacht, den die wahren Reliquien einfloͤßen ſollen, und uͤberhaupt ganz abgeſchmackt zu ſeyn ſchien. Aber eine unbeſchreibliche Luͤſternheit be¬ maͤchtigte ſich meiner, das zu erforſchen, was wohl eigentlich in der Flaſche enthalten.

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/294>, abgerufen am 27.11.2024.