legte, beinahe der Vergötterung eines Heili¬ gen. Ein religiöser Wahn hatte die Stadt ergriffen, alles strömte bei irgend einem An¬ laß, auch an gewöhnlichen Wochentagen, nach dem Kloster, um den Bruder Medardus zu sehen, zu sprechen. -- Da keimte in mir der Gedanke auf, ich sey ein besonders Erkohr¬ ner des Himmels; die geheimnißvollen Um¬ stände bei meiner Geburt, am heiligen Orte zur Entsündigung des verbrecherischen Va¬ ters, die wunderbaren Begebenheiten in mei¬ nen ersten Kinderjahren, alles deutete dahin, daß mein Geist, in unmittelbarer Berührung mit dem Himmlischen, sich schon hienieden über das Irrdische erhebe, und ich nicht der Welt, den Menschen angehöre, denen Heil und Trost zu geben, ich hier auf Erden wandle. Es war mir nun gewiß, daß der alte Pilgram in der heiligen Linde, der hei¬ lige Joseph, der wunderbare Knabe aber das Jesuskind selbst gewesen, das in mir den Heiligen der auf Erden zu wandeln bestimmt,
legte, beinahe der Vergoͤtterung eines Heili¬ gen. Ein religioͤſer Wahn hatte die Stadt ergriffen, alles ſtroͤmte bei irgend einem An¬ laß, auch an gewoͤhnlichen Wochentagen, nach dem Kloſter, um den Bruder Medardus zu ſehen, zu ſprechen. — Da keimte in mir der Gedanke auf, ich ſey ein beſonders Erkohr¬ ner des Himmels; die geheimnißvollen Um¬ ſtaͤnde bei meiner Geburt, am heiligen Orte zur Entſuͤndigung des verbrecheriſchen Va¬ ters, die wunderbaren Begebenheiten in mei¬ nen erſten Kinderjahren, alles deutete dahin, daß mein Geiſt, in unmittelbarer Beruͤhrung mit dem Himmliſchen, ſich ſchon hienieden uͤber das Irrdiſche erhebe, und ich nicht der Welt, den Menſchen angehoͤre, denen Heil und Troſt zu geben, ich hier auf Erden wandle. Es war mir nun gewiß, daß der alte Pilgram in der heiligen Linde, der hei¬ lige Joſeph, der wunderbare Knabe aber das Jeſuskind ſelbſt geweſen, das in mir den Heiligen der auf Erden zu wandeln beſtimmt,
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legte, beinahe der Vergoͤtterung eines Heili¬
gen. Ein religioͤſer Wahn hatte die Stadt
ergriffen, alles ſtroͤmte bei irgend einem An¬
laß, auch an gewoͤhnlichen Wochentagen, nach
dem Kloſter, um den Bruder Medardus zu
ſehen, zu ſprechen. — Da keimte in mir der
Gedanke auf, ich ſey ein beſonders Erkohr¬
ner des Himmels; die geheimnißvollen Um¬
ſtaͤnde bei meiner Geburt, am heiligen Orte
zur Entſuͤndigung des verbrecheriſchen Va¬
ters, die wunderbaren Begebenheiten in mei¬
nen erſten Kinderjahren, alles deutete dahin,
daß mein Geiſt, in unmittelbarer Beruͤhrung
mit dem Himmliſchen, ſich ſchon hienieden
uͤber das Irrdiſche erhebe, und ich nicht der
Welt, den Menſchen angehoͤre, denen Heil
und Troſt zu geben, ich hier auf Erden
wandle. Es war mir nun gewiß, daß der
alte Pilgram in der heiligen Linde, der hei¬
lige Joſeph, der wunderbare Knabe aber das
Jeſuskind ſelbſt geweſen, das in mir den
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/74>, abgerufen am 21.11.2024.
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