Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

waltsam zu ergreifen. Ich war oft der
Ohnmacht nahe, dann kamen allerlei wun¬
derliche Bilder und Träume, und es war
mir, als solle ich einen glänzenden Himmel
voll Seligkeit und Wonne erschauen und
könne nur, wie ein schlaftrunknes Kind, die
Augen nicht öffnen. Ohne zu wissen, wa¬
rum? konnte ich oft bis zum Tode betrübt,
oft ausgelassen fröhlich seyn. Bei dem ge¬
ringsten Anlaß stürzten mir die Thränen
aus den Augen, eine unerklärliche Sehnsucht
stieg oft bis zu körperlichem Schmerz, so
daß alle Glieder krampfhaft zuckten. Der
Vater bemerkte meinen Zustand, schrieb ihn
überreizten Nerven zu und suchte die Hülfe
des Arztes, der allerlei Mittel verordnete die
ohne Wirkung blieben. Ich weiß selbst nicht
wie es kam, urplötzlich erschien mir das ver¬
gessene Bild jenes unbekannten Mannes so
lebhaft, daß es mir war, als stehe es vor
mir, Blicke des Mitleids auf mich gerichtet.
"Ach! -- soll ich denn sterben? -- was ist

waltſam zu ergreifen. Ich war oft der
Ohnmacht nahe, dann kamen allerlei wun¬
derliche Bilder und Traͤume, und es war
mir, als ſolle ich einen glaͤnzenden Himmel
voll Seligkeit und Wonne erſchauen und
koͤnne nur, wie ein ſchlaftrunknes Kind, die
Augen nicht oͤffnen. Ohne zu wiſſen, wa¬
rum? konnte ich oft bis zum Tode betruͤbt,
oft ausgelaſſen froͤhlich ſeyn. Bei dem ge¬
ringſten Anlaß ſtuͤrzten mir die Thraͤnen
aus den Augen, eine unerklaͤrliche Sehnſucht
ſtieg oft bis zu koͤrperlichem Schmerz, ſo
daß alle Glieder krampfhaft zuckten. Der
Vater bemerkte meinen Zuſtand, ſchrieb ihn
uͤberreizten Nerven zu und ſuchte die Huͤlfe
des Arztes, der allerlei Mittel verordnete die
ohne Wirkung blieben. Ich weiß ſelbſt nicht
wie es kam, urploͤtzlich erſchien mir das ver¬
geſſene Bild jenes unbekannten Mannes ſo
lebhaft, daß es mir war, als ſtehe es vor
mir, Blicke des Mitleids auf mich gerichtet.
„Ach! — ſoll ich denn ſterben? — was iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0132" n="124"/>
walt&#x017F;am zu ergreifen. Ich war oft der<lb/>
Ohnmacht nahe, dann kamen allerlei wun¬<lb/>
derliche Bilder und Tra&#x0364;ume, und es war<lb/>
mir, als &#x017F;olle ich einen gla&#x0364;nzenden Himmel<lb/>
voll Seligkeit und Wonne er&#x017F;chauen und<lb/>
ko&#x0364;nne nur, wie ein &#x017F;chlaftrunknes Kind, die<lb/>
Augen nicht o&#x0364;ffnen. Ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en, wa¬<lb/>
rum? konnte ich oft bis zum Tode betru&#x0364;bt,<lb/>
oft ausgela&#x017F;&#x017F;en fro&#x0364;hlich &#x017F;eyn. Bei dem ge¬<lb/>
ring&#x017F;ten Anlaß &#x017F;tu&#x0364;rzten mir die Thra&#x0364;nen<lb/>
aus den Augen, eine unerkla&#x0364;rliche Sehn&#x017F;ucht<lb/>
&#x017F;tieg oft bis zu ko&#x0364;rperlichem Schmerz, &#x017F;o<lb/>
daß alle Glieder krampfhaft zuckten. Der<lb/>
Vater bemerkte meinen Zu&#x017F;tand, &#x017F;chrieb ihn<lb/>
u&#x0364;berreizten Nerven zu und &#x017F;uchte die Hu&#x0364;lfe<lb/>
des Arztes, der allerlei Mittel verordnete die<lb/>
ohne Wirkung blieben. Ich weiß &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
wie es kam, urplo&#x0364;tzlich er&#x017F;chien mir das ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;ene Bild jenes unbekannten Mannes &#x017F;o<lb/>
lebhaft, daß es mir war, als &#x017F;tehe es vor<lb/>
mir, Blicke des Mitleids auf mich gerichtet.<lb/>
&#x201E;Ach! &#x2014; &#x017F;oll ich denn &#x017F;terben? &#x2014; was i&#x017F;t<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0132] waltſam zu ergreifen. Ich war oft der Ohnmacht nahe, dann kamen allerlei wun¬ derliche Bilder und Traͤume, und es war mir, als ſolle ich einen glaͤnzenden Himmel voll Seligkeit und Wonne erſchauen und koͤnne nur, wie ein ſchlaftrunknes Kind, die Augen nicht oͤffnen. Ohne zu wiſſen, wa¬ rum? konnte ich oft bis zum Tode betruͤbt, oft ausgelaſſen froͤhlich ſeyn. Bei dem ge¬ ringſten Anlaß ſtuͤrzten mir die Thraͤnen aus den Augen, eine unerklaͤrliche Sehnſucht ſtieg oft bis zu koͤrperlichem Schmerz, ſo daß alle Glieder krampfhaft zuckten. Der Vater bemerkte meinen Zuſtand, ſchrieb ihn uͤberreizten Nerven zu und ſuchte die Huͤlfe des Arztes, der allerlei Mittel verordnete die ohne Wirkung blieben. Ich weiß ſelbſt nicht wie es kam, urploͤtzlich erſchien mir das ver¬ geſſene Bild jenes unbekannten Mannes ſo lebhaft, daß es mir war, als ſtehe es vor mir, Blicke des Mitleids auf mich gerichtet. „Ach! — ſoll ich denn ſterben? — was iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/132
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/132>, abgerufen am 04.12.2024.