unsre Klugheit zu Schanden macht, und an das wir, weil wir es nicht zu erfassen vermögen, in stumpfsinniger Verstocktheit nicht glauben. Hartnäckig läugnen wir dem innern Auge deshalb die Erscheinung ab, weil sie zu durchsichtig war, um sich auf der rauhen Fläche des äußern Auges abzuspie¬ geln. -- Jenen seltsamen Mahler rechne ich zu den außerordentlichen Erscheinungen, die jeder erlauerten Regel spotten; ich bin zwei¬ felhaft, ob seine körperliche Erscheinung das ist, was wir wahr nennen. So viel ist gewiß, daß niemand die gewöhnlichen Funk¬ tionen des Lebens bei ihm bemerkt hat. Auch sah ich ihn niemals schreiben oder zeichnen, unerachtet im Buch, worin er nur zu lesen schien, jedesmahl, wenn er bei uns gewesen, mehr Blätter als vorher beschrieben waren. Seltsam ist es auch, daß mir Alles im Bu¬ che nur verworrenes Gekritzel, undeutliche Skizze eines fantastischen Mahlers zu seyn schien, und nur dann erst erkennbar und
unſre Klugheit zu Schanden macht, und an das wir, weil wir es nicht zu erfaſſen vermoͤgen, in ſtumpfſinniger Verſtocktheit nicht glauben. Hartnaͤckig laͤugnen wir dem innern Auge deshalb die Erſcheinung ab, weil ſie zu durchſichtig war, um ſich auf der rauhen Flaͤche des aͤußern Auges abzuſpie¬ geln. — Jenen ſeltſamen Mahler rechne ich zu den außerordentlichen Erſcheinungen, die jeder erlauerten Regel ſpotten; ich bin zwei¬ felhaft, ob ſeine koͤrperliche Erſcheinung das iſt, was wir wahr nennen. So viel iſt gewiß, daß niemand die gewoͤhnlichen Funk¬ tionen des Lebens bei ihm bemerkt hat. Auch ſah ich ihn niemals ſchreiben oder zeichnen, unerachtet im Buch, worin er nur zu leſen ſchien, jedesmahl, wenn er bei uns geweſen, mehr Blaͤtter als vorher beſchrieben waren. Seltſam iſt es auch, daß mir Alles im Bu¬ che nur verworrenes Gekritzel, undeutliche Skizze eines fantaſtiſchen Mahlers zu ſeyn ſchien, und nur dann erſt erkennbar und
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unſre Klugheit zu Schanden macht, und
an das wir, weil wir es nicht zu erfaſſen
vermoͤgen, in ſtumpfſinniger Verſtocktheit
nicht glauben. Hartnaͤckig laͤugnen wir dem
innern Auge deshalb die Erſcheinung ab,
weil ſie zu durchſichtig war, um ſich auf der
rauhen Flaͤche des aͤußern Auges abzuſpie¬
geln. — Jenen ſeltſamen Mahler rechne ich
zu den außerordentlichen Erſcheinungen, die
jeder erlauerten Regel ſpotten; ich bin zwei¬
felhaft, ob ſeine koͤrperliche Erſcheinung das
iſt, was wir wahr nennen. So viel iſt
gewiß, daß niemand die gewoͤhnlichen Funk¬
tionen des Lebens bei ihm bemerkt hat. Auch
ſah ich ihn niemals ſchreiben oder zeichnen,
unerachtet im Buch, worin er nur zu leſen
ſchien, jedesmahl, wenn er bei uns geweſen,
mehr Blaͤtter als vorher beſchrieben waren.
Seltſam iſt es auch, daß mir Alles im Bu¬
che nur verworrenes Gekritzel, undeutliche
Skizze eines fantaſtiſchen Mahlers zu ſeyn
ſchien, und nur dann erſt erkennbar und
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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