Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Gestalten so wahrhaft darzustellen, in¬
dem er von lebenden Modellen die Carnation,
von den alten Marmorbildern aber Form
und Bildung entnahm. Statt, wie sonst, in
den Kirchen und Klöstern sich an den herr¬
lichen Bildern der alten frommen Meister zu
erbauen, und sie mit künstlerischer Andacht
aufzunehmen in sein Inneres, zeichnete er
ämsig die Gestalten der lügnerischen Heiden¬
götter nach. Von keiner Gestalt war er aber
so ganz und gar durchdrungen, als von ei¬
nem berühmten Venusbilde, das er stets in
Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Ze¬
nobio dem Bruder ausgesetzt hatte, blieb ein¬
mal länger als gewöhnlich aus, und so kam
es, daß Francesko bei seinem wilden Leben,
das ihm allen Verdienst schnell hinweg raffte,
und das er doch nicht lassen wollte, in arge
Geldnoth gerieth. Da gedachte er, daß vor
langer Zeit ihm ein Capuzinerkloster aufge¬
tragen hatte, für einen hohen Preis das
Bild der heiligen Rosalia zu malen, und er

lichen Geſtalten ſo wahrhaft darzuſtellen, in¬
dem er von lebenden Modellen die Carnation,
von den alten Marmorbildern aber Form
und Bildung entnahm. Statt, wie ſonſt, in
den Kirchen und Kloͤſtern ſich an den herr¬
lichen Bildern der alten frommen Meiſter zu
erbauen, und ſie mit kuͤnſtleriſcher Andacht
aufzunehmen in ſein Inneres, zeichnete er
aͤmſig die Geſtalten der luͤgneriſchen Heiden¬
goͤtter nach. Von keiner Geſtalt war er aber
ſo ganz und gar durchdrungen, als von ei¬
nem beruͤhmten Venusbilde, das er ſtets in
Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Ze¬
nobio dem Bruder ausgeſetzt hatte, blieb ein¬
mal laͤnger als gewoͤhnlich aus, und ſo kam
es, daß Francesko bei ſeinem wilden Leben,
das ihm allen Verdienſt ſchnell hinweg raffte,
und das er doch nicht laſſen wollte, in arge
Geldnoth gerieth. Da gedachte er, daß vor
langer Zeit ihm ein Capuzinerkloſter aufge¬
tragen hatte, fuͤr einen hohen Preis das
Bild der heiligen Roſalia zu malen, und er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0219" n="211"/>
lichen Ge&#x017F;talten &#x017F;o wahrhaft darzu&#x017F;tellen, in¬<lb/>
dem er von lebenden Modellen die Carnation,<lb/>
von den alten Marmorbildern aber Form<lb/>
und Bildung entnahm. Statt, wie &#x017F;on&#x017F;t, in<lb/>
den Kirchen und Klo&#x0364;&#x017F;tern &#x017F;ich an den herr¬<lb/>
lichen Bildern der alten frommen Mei&#x017F;ter zu<lb/>
erbauen, und &#x017F;ie mit ku&#x0364;n&#x017F;tleri&#x017F;cher Andacht<lb/>
aufzunehmen in &#x017F;ein Inneres, zeichnete er<lb/>
a&#x0364;m&#x017F;ig die Ge&#x017F;talten der lu&#x0364;gneri&#x017F;chen Heiden¬<lb/>
go&#x0364;tter nach. Von keiner Ge&#x017F;talt war er aber<lb/>
&#x017F;o ganz und gar durchdrungen, als von ei¬<lb/>
nem beru&#x0364;hmten Venusbilde, das er &#x017F;tets in<lb/>
Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Ze¬<lb/>
nobio dem Bruder ausge&#x017F;etzt hatte, blieb ein¬<lb/>
mal la&#x0364;nger als gewo&#x0364;hnlich aus, und &#x017F;o kam<lb/>
es, daß Francesko bei &#x017F;einem wilden Leben,<lb/>
das ihm allen Verdien&#x017F;t &#x017F;chnell hinweg raffte,<lb/>
und das er doch nicht la&#x017F;&#x017F;en wollte, in arge<lb/>
Geldnoth gerieth. Da gedachte er, daß vor<lb/>
langer Zeit ihm ein Capuzinerklo&#x017F;ter aufge¬<lb/>
tragen hatte, fu&#x0364;r einen hohen Preis das<lb/>
Bild der heiligen Ro&#x017F;alia zu malen, und er<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0219] lichen Geſtalten ſo wahrhaft darzuſtellen, in¬ dem er von lebenden Modellen die Carnation, von den alten Marmorbildern aber Form und Bildung entnahm. Statt, wie ſonſt, in den Kirchen und Kloͤſtern ſich an den herr¬ lichen Bildern der alten frommen Meiſter zu erbauen, und ſie mit kuͤnſtleriſcher Andacht aufzunehmen in ſein Inneres, zeichnete er aͤmſig die Geſtalten der luͤgneriſchen Heiden¬ goͤtter nach. Von keiner Geſtalt war er aber ſo ganz und gar durchdrungen, als von ei¬ nem beruͤhmten Venusbilde, das er ſtets in Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Ze¬ nobio dem Bruder ausgeſetzt hatte, blieb ein¬ mal laͤnger als gewoͤhnlich aus, und ſo kam es, daß Francesko bei ſeinem wilden Leben, das ihm allen Verdienſt ſchnell hinweg raffte, und das er doch nicht laſſen wollte, in arge Geldnoth gerieth. Da gedachte er, daß vor langer Zeit ihm ein Capuzinerkloſter aufge¬ tragen hatte, fuͤr einen hohen Preis das Bild der heiligen Roſalia zu malen, und er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/219
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/219>, abgerufen am 22.05.2024.