hob, stieß es klägliche bittende Töne aus, und es wandelte ihn tiefes Mitleid an, er legte das Knäblein auf weiches Moos, und tröpfelte ihm den Saft einer Pommeranze ein, die er bei sich getragen. Francesko hatte, gleich einem büßenden Einsiedler, meh¬ rere Wochen in der Höhle zugebracht, und sich abwendend von dem sündlichen Fre¬ vel, in dem er gelebt, inbrünstig zu den Heiligen gebetet. Aber vor allen Andern rief er die von ihm schwer beleidigte Rosalia an, daß sie vor dem Throne des Herrn seine Für¬ sprecherin seyn möge. Eines Abends lag Francesko, in der Wildniß betend, auf den Knien, und schaute in die Sonne, wel¬ che sich tauchte in das Meer, das in Westen seine rothen Flammenwellen emporschlug. Aber, so wie die Flammen verblaßten im grauen Abendnebel, gewahrte Francesko in den Lüften einen leuchtenden Rosenschimmer, der sich bald zu gestalten begann. Von Engeln um¬ geben sah Francesko die heilige Rosalia, wie sie
hob, ſtieß es klaͤgliche bittende Toͤne aus, und es wandelte ihn tiefes Mitleid an, er legte das Knaͤblein auf weiches Moos, und troͤpfelte ihm den Saft einer Pommeranze ein, die er bei ſich getragen. Francesko hatte, gleich einem buͤßenden Einſiedler, meh¬ rere Wochen in der Hoͤhle zugebracht, und ſich abwendend von dem ſuͤndlichen Fre¬ vel, in dem er gelebt, inbruͤnſtig zu den Heiligen gebetet. Aber vor allen Andern rief er die von ihm ſchwer beleidigte Roſalia an, daß ſie vor dem Throne des Herrn ſeine Fuͤr¬ ſprecherin ſeyn moͤge. Eines Abends lag Francesko, in der Wildniß betend, auf den Knien, und ſchaute in die Sonne, wel¬ che ſich tauchte in das Meer, das in Weſten ſeine rothen Flammenwellen emporſchlug. Aber, ſo wie die Flammen verblaßten im grauen Abendnebel, gewahrte Francesko in den Luͤften einen leuchtenden Roſenſchimmer, der ſich bald zu geſtalten begann. Von Engeln um¬ geben ſah Francesko die heilige Roſalia, wie ſie
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hob, ſtieß es klaͤgliche bittende Toͤne aus,
und es wandelte ihn tiefes Mitleid an, er
legte das Knaͤblein auf weiches Moos, und
troͤpfelte ihm den Saft einer Pommeranze
ein, die er bei ſich getragen. Francesko
hatte, gleich einem buͤßenden Einſiedler, meh¬
rere Wochen in der Hoͤhle zugebracht, und
ſich abwendend von dem ſuͤndlichen Fre¬
vel, in dem er gelebt, inbruͤnſtig zu den
Heiligen gebetet. Aber vor allen Andern rief
er die von ihm ſchwer beleidigte Roſalia an,
daß ſie vor dem Throne des Herrn ſeine Fuͤr¬
ſprecherin ſeyn moͤge. Eines Abends lag
Francesko, in der Wildniß betend, auf
den Knien, und ſchaute in die Sonne, wel¬
che ſich tauchte in das Meer, das in Weſten
ſeine rothen Flammenwellen emporſchlug.
Aber, ſo wie die Flammen verblaßten im
grauen Abendnebel, gewahrte Francesko in den
Luͤften einen leuchtenden Roſenſchimmer, der
ſich bald zu geſtalten begann. Von Engeln um¬
geben ſah Francesko die heilige Roſalia, wie ſie
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/234>, abgerufen am 25.11.2024.
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