Seminar in B. studirte; ich beschloß, seine einfachen Lebensumstände mir anzueignen. So gerüstet, begann ich in folgender Art: "Es "mag wohl seyn, daß man mich eines schwe¬ "ren Verbrechens beschuldigt, ich habe indes¬ "sen hier unter den Augen des Fürsten und "der ganzen Stadt gelebt, und es ist während "der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬ "chen verübt worden, für dessen Urheber ich "gehalten werden oder dessen Theilnehmer "ich seyn könnte. Es muß also ein Fremder "seyn, der mich eines in früherer Zeit be¬ "gangenen Verbrechens anklagt, und da ich "mich von aller Schuld völlig rein fühle, so "hat vielleicht nur eine unglückliche Aehnlich¬ "keit die Vermuthung meiner Schuld erregt; "um so härter finde ich es aber, daß man "mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter "Meinungen wegen, dem überführten Verbre¬ "cher gleich, in ein strenges Criminal-Ge¬ "fängniß sperrt. Warum stellt man mich nicht "meinem leichtsinnigen, vielleicht boshaften
Seminar in B. ſtudirte; ich beſchloß, ſeine einfachen Lebensumſtaͤnde mir anzueignen. So geruͤſtet, begann ich in folgender Art: „Es „mag wohl ſeyn, daß man mich eines ſchwe¬ „ren Verbrechens beſchuldigt, ich habe indeſ¬ „ſen hier unter den Augen des Fuͤrſten und „der ganzen Stadt gelebt, und es iſt waͤhrend „der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬ „chen veruͤbt worden, fuͤr deſſen Urheber ich „gehalten werden oder deſſen Theilnehmer „ich ſeyn koͤnnte. Es muß alſo ein Fremder „ſeyn, der mich eines in fruͤherer Zeit be¬ „gangenen Verbrechens anklagt, und da ich „mich von aller Schuld voͤllig rein fuͤhle, ſo „hat vielleicht nur eine ungluͤckliche Aehnlich¬ „keit die Vermuthung meiner Schuld erregt; „um ſo haͤrter finde ich es aber, daß man „mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter „Meinungen wegen, dem uͤberfuͤhrten Verbre¬ „cher gleich, in ein ſtrenges Criminal-Ge¬ „faͤngniß ſperrt. Warum ſtellt man mich nicht „meinem leichtſinnigen, vielleicht boshaften
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Seminar in B. ſtudirte; ich beſchloß, ſeine
einfachen Lebensumſtaͤnde mir anzueignen.
So geruͤſtet, begann ich in folgender Art: „Es
„mag wohl ſeyn, daß man mich eines ſchwe¬
„ren Verbrechens beſchuldigt, ich habe indeſ¬
„ſen hier unter den Augen des Fuͤrſten und
„der ganzen Stadt gelebt, und es iſt waͤhrend
„der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬
„chen veruͤbt worden, fuͤr deſſen Urheber ich
„gehalten werden oder deſſen Theilnehmer
„ich ſeyn koͤnnte. Es muß alſo ein Fremder
„ſeyn, der mich eines in fruͤherer Zeit be¬
„gangenen Verbrechens anklagt, und da ich
„mich von aller Schuld voͤllig rein fuͤhle, ſo
„hat vielleicht nur eine ungluͤckliche Aehnlich¬
„keit die Vermuthung meiner Schuld erregt;
„um ſo haͤrter finde ich es aber, daß man
„mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter
„Meinungen wegen, dem uͤberfuͤhrten Verbre¬
„cher gleich, in ein ſtrenges Criminal-Ge¬
„faͤngniß ſperrt. Warum ſtellt man mich nicht
„meinem leichtſinnigen, vielleicht boshaften
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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