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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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lichen, widerwärtigen Stimme die Worte
sprechen: "Komm mit mir, Brüderchen Me¬
dardus, wir wollen die Braut suchen." Ich
stand auf, und wollte mich zum Bruder
Medardus begeben, da überfiel mich aber
ein besonderes Grauen, so daß ich, wie von
dem Frost eines Fiebers ganz gewaltig durch
alle Glieder geschüttelt wurde; ich ging dem¬
nach, statt in des Medardus Zelle, zum
Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne
Mühe, und erzählte ihm, was ich vernom¬
men. Der Prior erschrak sehr, sprang auf
und sagte, ich solle geweihte Kerzen holen
und wir wollten uns beide dann zum Bru¬
der Medardus begeben. Ich that, wie mir
geheißen, zündete die Kerzen an der Lampe
des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an,
und wir stiegen die Treppe hinauf. So sehr
wir aber auch horchen mochten, die abscheu¬
lige Stimme, die ich vernommen, ließ sich
nicht wieder hören. Statt dessen hörten wir
leise liebliche Glockenklänge, und es war
so, als verbreite sich ein feiner Rosenduft.
Wir traten näher, da öffnete sich die Thüre

lichen, widerwaͤrtigen Stimme die Worte
ſprechen: „Komm mit mir, Bruͤderchen Me¬
dardus, wir wollen die Braut ſuchen.“ Ich
ſtand auf, und wollte mich zum Bruder
Medardus begeben, da uͤberfiel mich aber
ein beſonderes Grauen, ſo daß ich, wie von
dem Froſt eines Fiebers ganz gewaltig durch
alle Glieder geſchuͤttelt wurde; ich ging dem¬
nach, ſtatt in des Medardus Zelle, zum
Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne
Muͤhe, und erzaͤhlte ihm, was ich vernom¬
men. Der Prior erſchrak ſehr, ſprang auf
und ſagte, ich ſolle geweihte Kerzen holen
und wir wollten uns beide dann zum Bru¬
der Medardus begeben. Ich that, wie mir
geheißen, zuͤndete die Kerzen an der Lampe
des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an,
und wir ſtiegen die Treppe hinauf. So ſehr
wir aber auch horchen mochten, die abſcheu¬
lige Stimme, die ich vernommen, ließ ſich
nicht wieder hoͤren. Statt deſſen hoͤrten wir
leiſe liebliche Glockenklaͤnge, und es war
ſo, als verbreite ſich ein feiner Roſenduft.
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[370/0378] lichen, widerwaͤrtigen Stimme die Worte ſprechen: „Komm mit mir, Bruͤderchen Me¬ dardus, wir wollen die Braut ſuchen.“ Ich ſtand auf, und wollte mich zum Bruder Medardus begeben, da uͤberfiel mich aber ein beſonderes Grauen, ſo daß ich, wie von dem Froſt eines Fiebers ganz gewaltig durch alle Glieder geſchuͤttelt wurde; ich ging dem¬ nach, ſtatt in des Medardus Zelle, zum Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne Muͤhe, und erzaͤhlte ihm, was ich vernom¬ men. Der Prior erſchrak ſehr, ſprang auf und ſagte, ich ſolle geweihte Kerzen holen und wir wollten uns beide dann zum Bru¬ der Medardus begeben. Ich that, wie mir geheißen, zuͤndete die Kerzen an der Lampe des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an, und wir ſtiegen die Treppe hinauf. So ſehr wir aber auch horchen mochten, die abſcheu¬ lige Stimme, die ich vernommen, ließ ſich nicht wieder hoͤren. Statt deſſen hoͤrten wir leiſe liebliche Glockenklaͤnge, und es war ſo, als verbreite ſich ein feiner Roſenduft. Wir traten naͤher, da oͤffnete ſich die Thuͤre

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/378>, abgerufen am 23.11.2024.