lichen, widerwärtigen Stimme die Worte sprechen: "Komm mit mir, Brüderchen Me¬ dardus, wir wollen die Braut suchen." Ich stand auf, und wollte mich zum Bruder Medardus begeben, da überfiel mich aber ein besonderes Grauen, so daß ich, wie von dem Frost eines Fiebers ganz gewaltig durch alle Glieder geschüttelt wurde; ich ging dem¬ nach, statt in des Medardus Zelle, zum Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne Mühe, und erzählte ihm, was ich vernom¬ men. Der Prior erschrak sehr, sprang auf und sagte, ich solle geweihte Kerzen holen und wir wollten uns beide dann zum Bru¬ der Medardus begeben. Ich that, wie mir geheißen, zündete die Kerzen an der Lampe des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an, und wir stiegen die Treppe hinauf. So sehr wir aber auch horchen mochten, die abscheu¬ lige Stimme, die ich vernommen, ließ sich nicht wieder hören. Statt dessen hörten wir leise liebliche Glockenklänge, und es war so, als verbreite sich ein feiner Rosenduft. Wir traten näher, da öffnete sich die Thüre
lichen, widerwaͤrtigen Stimme die Worte ſprechen: „Komm mit mir, Bruͤderchen Me¬ dardus, wir wollen die Braut ſuchen.“ Ich ſtand auf, und wollte mich zum Bruder Medardus begeben, da uͤberfiel mich aber ein beſonderes Grauen, ſo daß ich, wie von dem Froſt eines Fiebers ganz gewaltig durch alle Glieder geſchuͤttelt wurde; ich ging dem¬ nach, ſtatt in des Medardus Zelle, zum Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne Muͤhe, und erzaͤhlte ihm, was ich vernom¬ men. Der Prior erſchrak ſehr, ſprang auf und ſagte, ich ſolle geweihte Kerzen holen und wir wollten uns beide dann zum Bru¬ der Medardus begeben. Ich that, wie mir geheißen, zuͤndete die Kerzen an der Lampe des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an, und wir ſtiegen die Treppe hinauf. So ſehr wir aber auch horchen mochten, die abſcheu¬ lige Stimme, die ich vernommen, ließ ſich nicht wieder hoͤren. Statt deſſen hoͤrten wir leiſe liebliche Glockenklaͤnge, und es war ſo, als verbreite ſich ein feiner Roſenduft. Wir traten naͤher, da oͤffnete ſich die Thuͤre
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0378"n="370"/>
lichen, widerwaͤrtigen Stimme die Worte<lb/>ſprechen: „Komm mit mir, Bruͤderchen Me¬<lb/>
dardus, wir wollen die Braut ſuchen.“ Ich<lb/>ſtand auf, und wollte mich zum Bruder<lb/>
Medardus begeben, da uͤberfiel mich aber<lb/>
ein beſonderes Grauen, ſo daß ich, wie von<lb/>
dem Froſt eines Fiebers ganz gewaltig durch<lb/>
alle Glieder geſchuͤttelt wurde; ich ging dem¬<lb/>
nach, ſtatt in des Medardus Zelle, zum<lb/>
Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne<lb/>
Muͤhe, und erzaͤhlte ihm, was ich vernom¬<lb/>
men. Der Prior erſchrak ſehr, ſprang auf<lb/>
und ſagte, ich ſolle geweihte Kerzen holen<lb/>
und wir wollten uns beide dann zum Bru¬<lb/>
der Medardus begeben. Ich that, wie mir<lb/>
geheißen, zuͤndete die Kerzen an der Lampe<lb/>
des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an,<lb/>
und wir ſtiegen die Treppe hinauf. So ſehr<lb/>
wir aber auch horchen mochten, die abſcheu¬<lb/>
lige Stimme, die ich vernommen, ließ ſich<lb/>
nicht wieder hoͤren. Statt deſſen hoͤrten wir<lb/>
leiſe liebliche Glockenklaͤnge, und es war<lb/>ſo, als verbreite ſich ein feiner Roſenduft.<lb/>
Wir traten naͤher, da oͤffnete ſich die Thuͤre<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[370/0378]
lichen, widerwaͤrtigen Stimme die Worte
ſprechen: „Komm mit mir, Bruͤderchen Me¬
dardus, wir wollen die Braut ſuchen.“ Ich
ſtand auf, und wollte mich zum Bruder
Medardus begeben, da uͤberfiel mich aber
ein beſonderes Grauen, ſo daß ich, wie von
dem Froſt eines Fiebers ganz gewaltig durch
alle Glieder geſchuͤttelt wurde; ich ging dem¬
nach, ſtatt in des Medardus Zelle, zum
Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne
Muͤhe, und erzaͤhlte ihm, was ich vernom¬
men. Der Prior erſchrak ſehr, ſprang auf
und ſagte, ich ſolle geweihte Kerzen holen
und wir wollten uns beide dann zum Bru¬
der Medardus begeben. Ich that, wie mir
geheißen, zuͤndete die Kerzen an der Lampe
des Mutter-Gottesbildes auf dem Gange an,
und wir ſtiegen die Treppe hinauf. So ſehr
wir aber auch horchen mochten, die abſcheu¬
lige Stimme, die ich vernommen, ließ ſich
nicht wieder hoͤren. Statt deſſen hoͤrten wir
leiſe liebliche Glockenklaͤnge, und es war
ſo, als verbreite ſich ein feiner Roſenduft.
Wir traten naͤher, da oͤffnete ſich die Thuͤre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/378>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.