Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

weckte die Brüder, indem ich die Glocke stark
anzog und mit lauter Stimme rief: "Steht
auf! -- steht auf! -- Der Bruder Medardus
liegt im Tode!" Sie standen auch wirklich auf,
so daß nicht ein einziger fehlte, als wir mit
angebrannten Kerzen uns zu dem sterbenden
Bruder begaben. Alle, auch ich, der ich
dem Grauen endlich widerstanden, überlie¬
ßen uns vieler Betrübniß. Wir trugen den
Bruder Medardus auf einer Bahre nach der
Klosterkirche, und setzten ihn vor dem Hoch¬
altar nieder. Da erholte er sich zu unserm
Erstaunen und fing an zu sprechen, so daß
Leonardus selbst, sogleich nach vollendeter
Beichte und Absolution, die letzte Oelung vor¬
nahm. Nachher begaben wir uns, während
Leonardus unten blieb und immerfort mit dem
Bruder Medardus redete, in den Chor und
sangen die gewöhnlichen Todtengesänge für
das Heil der Seele des sterbenden Bruders.
Gerade als die Glocke des Klosters den an¬
dern Tag, nämlich am fünften September
des Jahres 17 . . Mittags zwölfe schlug,
verschied Bruder Medardus in des Priors

weckte die Bruͤder, indem ich die Glocke ſtark
anzog und mit lauter Stimme rief: „Steht
auf! — ſteht auf! — Der Bruder Medardus
liegt im Tode!“ Sie ſtanden auch wirklich auf,
ſo daß nicht ein einziger fehlte, als wir mit
angebrannten Kerzen uns zu dem ſterbenden
Bruder begaben. Alle, auch ich, der ich
dem Grauen endlich widerſtanden, uͤberlie¬
ßen uns vieler Betruͤbniß. Wir trugen den
Bruder Medardus auf einer Bahre nach der
Kloſterkirche, und ſetzten ihn vor dem Hoch¬
altar nieder. Da erholte er ſich zu unſerm
Erſtaunen und fing an zu ſprechen, ſo daß
Leonardus ſelbſt, ſogleich nach vollendeter
Beichte und Abſolution, die letzte Oelung vor¬
nahm. Nachher begaben wir uns, waͤhrend
Leonardus unten blieb und immerfort mit dem
Bruder Medardus redete, in den Chor und
ſangen die gewoͤhnlichen Todtengeſaͤnge fuͤr
das Heil der Seele des ſterbenden Bruders.
Gerade als die Glocke des Kloſters den an¬
dern Tag, naͤmlich am fuͤnften September
des Jahres 17 . . Mittags zwoͤlfe ſchlug,
verſchied Bruder Medardus in des Priors

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0380" n="372"/>
weckte die Bru&#x0364;der, indem ich die Glocke &#x017F;tark<lb/>
anzog und mit lauter Stimme rief: &#x201E;Steht<lb/>
auf! &#x2014; &#x017F;teht auf! &#x2014; Der Bruder Medardus<lb/>
liegt im Tode!&#x201C; Sie &#x017F;tanden auch wirklich auf,<lb/>
&#x017F;o daß nicht ein einziger fehlte, als wir mit<lb/>
angebrannten Kerzen uns zu dem &#x017F;terbenden<lb/>
Bruder begaben. Alle, auch ich, der ich<lb/>
dem Grauen endlich wider&#x017F;tanden, u&#x0364;berlie¬<lb/>
ßen uns vieler Betru&#x0364;bniß. Wir trugen den<lb/>
Bruder Medardus auf einer Bahre nach der<lb/>
Klo&#x017F;terkirche, und &#x017F;etzten ihn vor dem Hoch¬<lb/>
altar nieder. Da erholte er &#x017F;ich zu un&#x017F;erm<lb/>
Er&#x017F;taunen und fing an zu &#x017F;prechen, &#x017F;o daß<lb/>
Leonardus &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ogleich nach vollendeter<lb/>
Beichte und Ab&#x017F;olution, die letzte Oelung vor¬<lb/>
nahm. Nachher begaben wir uns, wa&#x0364;hrend<lb/>
Leonardus unten blieb und immerfort mit dem<lb/>
Bruder Medardus redete, in den Chor und<lb/>
&#x017F;angen die gewo&#x0364;hnlichen Todtenge&#x017F;a&#x0364;nge fu&#x0364;r<lb/>
das Heil der Seele des &#x017F;terbenden Bruders.<lb/>
Gerade als die Glocke des Klo&#x017F;ters den an¬<lb/>
dern Tag, na&#x0364;mlich am fu&#x0364;nften September<lb/>
des Jahres 17 . . Mittags zwo&#x0364;lfe &#x017F;chlug,<lb/>
ver&#x017F;chied Bruder Medardus in des Priors<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0380] weckte die Bruͤder, indem ich die Glocke ſtark anzog und mit lauter Stimme rief: „Steht auf! — ſteht auf! — Der Bruder Medardus liegt im Tode!“ Sie ſtanden auch wirklich auf, ſo daß nicht ein einziger fehlte, als wir mit angebrannten Kerzen uns zu dem ſterbenden Bruder begaben. Alle, auch ich, der ich dem Grauen endlich widerſtanden, uͤberlie¬ ßen uns vieler Betruͤbniß. Wir trugen den Bruder Medardus auf einer Bahre nach der Kloſterkirche, und ſetzten ihn vor dem Hoch¬ altar nieder. Da erholte er ſich zu unſerm Erſtaunen und fing an zu ſprechen, ſo daß Leonardus ſelbſt, ſogleich nach vollendeter Beichte und Abſolution, die letzte Oelung vor¬ nahm. Nachher begaben wir uns, waͤhrend Leonardus unten blieb und immerfort mit dem Bruder Medardus redete, in den Chor und ſangen die gewoͤhnlichen Todtengeſaͤnge fuͤr das Heil der Seele des ſterbenden Bruders. Gerade als die Glocke des Kloſters den an¬ dern Tag, naͤmlich am fuͤnften September des Jahres 17 . . Mittags zwoͤlfe ſchlug, verſchied Bruder Medardus in des Priors

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/380
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/380>, abgerufen am 27.11.2024.