Kerkermeister fort: ist Ihnen bekannt wor¬ den, daß jeder Versuch zu entfliehen, jedes Einverständniß mit den Mitgefangenen hart geahndet wird." -- Ich betheuerte, nichts der¬ gleichen hätte ich vor. Ein paar Stunden nachher führte man mich hinauf zum Cri¬ minal Gericht. Nicht der Richter, der mich zuerst vernommen, sondern ein anderer, ziem¬ lich junger Mann, dem ich auf den ersten Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬ wandtheit und eindringenden Sinn weit über¬ legen seyn müsse, trat freundlich auf mich zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch steht er mir gar lebendig vor Augen. Er war für seine Jahre ziemlich untersetzt, sein Kopf beinahe haarlos, er trug eine Brille. In seinem ganzen Wesen lag so viel Güte und Gemüthlichkeit, daß ich wohl fühlte, gerade deshalb müsse jeder nicht ganz verstockte Ver¬ brecher ihm schwer widerstehen können. Sei¬ ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬ versationston hin, aber sie waren überdacht
Kerkermeiſter fort: iſt Ihnen bekannt wor¬ den, daß jeder Verſuch zu entfliehen, jedes Einverſtaͤndniß mit den Mitgefangenen hart geahndet wird.“ — Ich betheuerte, nichts der¬ gleichen haͤtte ich vor. Ein paar Stunden nachher fuͤhrte man mich hinauf zum Cri¬ minal Gericht. Nicht der Richter, der mich zuerſt vernommen, ſondern ein anderer, ziem¬ lich junger Mann, dem ich auf den erſten Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬ wandtheit und eindringenden Sinn weit uͤber¬ legen ſeyn muͤſſe, trat freundlich auf mich zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch ſteht er mir gar lebendig vor Augen. Er war fuͤr ſeine Jahre ziemlich unterſetzt, ſein Kopf beinahe haarlos, er trug eine Brille. In ſeinem ganzen Weſen lag ſo viel Guͤte und Gemuͤthlichkeit, daß ich wohl fuͤhlte, gerade deshalb muͤſſe jeder nicht ganz verſtockte Ver¬ brecher ihm ſchwer widerſtehen koͤnnen. Sei¬ ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬ verſationston hin, aber ſie waren uͤberdacht
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Kerkermeiſter fort: iſt Ihnen bekannt wor¬
den, daß jeder Verſuch zu entfliehen, jedes
Einverſtaͤndniß mit den Mitgefangenen hart
geahndet wird.“ — Ich betheuerte, nichts der¬
gleichen haͤtte ich vor. Ein paar Stunden
nachher fuͤhrte man mich hinauf zum Cri¬
minal Gericht. Nicht der Richter, der mich
zuerſt vernommen, ſondern ein anderer, ziem¬
lich junger Mann, dem ich auf den erſten
Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬
wandtheit und eindringenden Sinn weit uͤber¬
legen ſeyn muͤſſe, trat freundlich auf mich
zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch ſteht
er mir gar lebendig vor Augen. Er war
fuͤr ſeine Jahre ziemlich unterſetzt, ſein Kopf
beinahe haarlos, er trug eine Brille. In
ſeinem ganzen Weſen lag ſo viel Guͤte und
Gemuͤthlichkeit, daß ich wohl fuͤhlte, gerade
deshalb muͤſſe jeder nicht ganz verſtockte Ver¬
brecher ihm ſchwer widerſtehen koͤnnen. Sei¬
ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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