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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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aus, das heißt wenigstens drei bis vier und zwanzig
Jahre alt geworden ist, auf die unschuldige Frage:
Wollen Sie mich mit Ihrer Hand beglücken o Theure?
selten anders, als mit rothen Wangen und niederge¬
schlagenen Augen zu antworten: Sprechen Sie mit
meinen lieben Eltern, ihrem Befehl gehorche ich allein,
ich habe keinen Willen! Die Eltern falten aber die
Hände und sprechen: Wenn es Gottes Wille ist, wir
haben nichts dagegen, Herr Sohn! --

Zu nichts weniger schien aber Herr Peregrinus
Tyß aufgelegt, als zum Heirathen. Denn außerdem,
daß er überhaupt im Allgemeinen menschenscheu war,
so bewies er insbesondere eine seltsame Idiosynkrasie
gegen das weibliche Geschlecht. Die Nähe eines
Frauenzimmers trieb ihm Schweißtropfen auf die
Stirne und wurde er vollends von einem jungen ge¬
nugsam hübschen Mädchen angeredet, so gerieth er in
eine Angst, die ihm die Zunge band und ein krampf¬
haftes Zittern durch alle Glieder verursachte. Eben
daher mocht' es auch kommen, daß seine alte Aufwär¬
terin von solch' seltener Häßlichkeit war, daß sie in
dem Revier, wo Herr Peregrinus Tyß wohnte, vie¬
len für eine naturhistorische Merkwürdigkeit galt. Sehr
gut stand das schwarze struppige halb ergraute Haar zu
den rothen triefenden Augen, sehr gut die dicke Kupfer¬

aus, das heißt wenigſtens drei bis vier und zwanzig
Jahre alt geworden iſt, auf die unſchuldige Frage:
Wollen Sie mich mit Ihrer Hand beglücken o Theure?
ſelten anders, als mit rothen Wangen und niederge¬
ſchlagenen Augen zu antworten: Sprechen Sie mit
meinen lieben Eltern, ihrem Befehl gehorche ich allein,
ich habe keinen Willen! Die Eltern falten aber die
Hände und ſprechen: Wenn es Gottes Wille iſt, wir
haben nichts dagegen, Herr Sohn! —

Zu nichts weniger ſchien aber Herr Peregrinus
Tyß aufgelegt, als zum Heirathen. Denn außerdem,
daß er überhaupt im Allgemeinen menſchenſcheu war,
ſo bewies er insbeſondere eine ſeltſame Idioſynkraſie
gegen das weibliche Geſchlecht. Die Nähe eines
Frauenzimmers trieb ihm Schweißtropfen auf die
Stirne und wurde er vollends von einem jungen ge¬
nugſam hübſchen Mädchen angeredet, ſo gerieth er in
eine Angſt, die ihm die Zunge band und ein krampf¬
haftes Zittern durch alle Glieder verurſachte. Eben
daher mocht' es auch kommen, daß ſeine alte Aufwär¬
terin von ſolch' ſeltener Häßlichkeit war, daß ſie in
dem Revier, wo Herr Peregrinus Tyß wohnte, vie¬
len für eine naturhiſtoriſche Merkwürdigkeit galt. Sehr
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[9/0014] aus, das heißt wenigſtens drei bis vier und zwanzig Jahre alt geworden iſt, auf die unſchuldige Frage: Wollen Sie mich mit Ihrer Hand beglücken o Theure? ſelten anders, als mit rothen Wangen und niederge¬ ſchlagenen Augen zu antworten: Sprechen Sie mit meinen lieben Eltern, ihrem Befehl gehorche ich allein, ich habe keinen Willen! Die Eltern falten aber die Hände und ſprechen: Wenn es Gottes Wille iſt, wir haben nichts dagegen, Herr Sohn! — Zu nichts weniger ſchien aber Herr Peregrinus Tyß aufgelegt, als zum Heirathen. Denn außerdem, daß er überhaupt im Allgemeinen menſchenſcheu war, ſo bewies er insbeſondere eine ſeltſame Idioſynkraſie gegen das weibliche Geſchlecht. Die Nähe eines Frauenzimmers trieb ihm Schweißtropfen auf die Stirne und wurde er vollends von einem jungen ge¬ nugſam hübſchen Mädchen angeredet, ſo gerieth er in eine Angſt, die ihm die Zunge band und ein krampf¬ haftes Zittern durch alle Glieder verurſachte. Eben daher mocht' es auch kommen, daß ſeine alte Aufwär¬ terin von ſolch' ſeltener Häßlichkeit war, daß ſie in dem Revier, wo Herr Peregrinus Tyß wohnte, vie¬ len für eine naturhiſtoriſche Merkwürdigkeit galt. Sehr gut ſtand das ſchwarze ſtruppige halb ergraute Haar zu den rothen triefenden Augen, ſehr gut die dicke Kupfer¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/14>, abgerufen am 21.11.2024.