"Armer," sprach er hierauf zu dem etwas be¬ stürzten Peregrinus, "armer Herr Tyß, so wenig er¬ "leuchtet ist Euer Verstand, daß Ihr nicht das Al¬ "berne solcher Meinungen einsehet? Seit der Zeit, "daß das Chaos zum bildsamen Stoff zusammenge¬ "flossen -- es mag etwas lange her seyn -- formt der "Weltgeist alle Gestaltungen aus diesem vorhandenen "Stoff und aus diesem geht auch der Traum mit sei¬ "nen Gebilden hervor. Skizzen von dem was war "oder vielleicht noch seyn wird, sind diese Gebilde, die "der Geist schnell hinwirft zu seiner Lust, wenn ihn "der Tyrann, Körper genannt, seines Sklavendienstes "entlassen. Doch es ist hier weder Ort noch Zeit, Euch "zu widerlegen und eines bessern überzeugen zu wol¬ "len; es würde vielleicht auch von gar keinem Nutzen "seyn. Nur eine einzige Sache möcht' ich Euch noch "entdecken."
"Sprecht," rief Peregrinus, "sprecht oder "schweigt, lieber Meister, thut das was Euch am ge¬ "rathensten dünkt; denn ich sehe genugsam ein, daß "Ihr, seyd Ihr auch noch so klein, doch unendlich "mehr Verstand und tiefe Kenntniß habt. Ihr "zwingt mich zum unbedingten Vertrauen, unerach¬ "tet ich Eure verblümten Redensarten nicht ganz ver¬ "stehe."
»Armer,» ſprach er hierauf zu dem etwas be¬ ſtürzten Peregrinus, »armer Herr Tyß, ſo wenig er¬ »leuchtet iſt Euer Verſtand, daß Ihr nicht das Al¬ »berne ſolcher Meinungen einſehet? Seit der Zeit, »daß das Chaos zum bildſamen Stoff zuſammenge¬ »floſſen — es mag etwas lange her ſeyn — formt der »Weltgeiſt alle Geſtaltungen aus dieſem vorhandenen »Stoff und aus dieſem geht auch der Traum mit ſei¬ »nen Gebilden hervor. Skizzen von dem was war »oder vielleicht noch ſeyn wird, ſind dieſe Gebilde, die »der Geiſt ſchnell hinwirft zu ſeiner Luſt, wenn ihn »der Tyrann, Körper genannt, ſeines Sklavendienſtes »entlaſſen. Doch es iſt hier weder Ort noch Zeit, Euch »zu widerlegen und eines beſſern überzeugen zu wol¬ »len; es würde vielleicht auch von gar keinem Nutzen »ſeyn. Nur eine einzige Sache möcht' ich Euch noch »entdecken.»
»Sprecht,» rief Peregrinus, »ſprecht oder »ſchweigt, lieber Meiſter, thut das was Euch am ge¬ »rathenſten dünkt; denn ich ſehe genugſam ein, daß »Ihr, ſeyd Ihr auch noch ſo klein, doch unendlich »mehr Verſtand und tiefe Kenntniß habt. Ihr »zwingt mich zum unbedingten Vertrauen, unerach¬ »tet ich Eure verblümten Redensarten nicht ganz ver¬ »ſtehe.»
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»Armer,» ſprach er hierauf zu dem etwas be¬
ſtürzten Peregrinus, »armer Herr Tyß, ſo wenig er¬
»leuchtet iſt Euer Verſtand, daß Ihr nicht das Al¬
»berne ſolcher Meinungen einſehet? Seit der Zeit,
»daß das Chaos zum bildſamen Stoff zuſammenge¬
»floſſen — es mag etwas lange her ſeyn — formt der
»Weltgeiſt alle Geſtaltungen aus dieſem vorhandenen
»Stoff und aus dieſem geht auch der Traum mit ſei¬
»nen Gebilden hervor. Skizzen von dem was war
»oder vielleicht noch ſeyn wird, ſind dieſe Gebilde, die
»der Geiſt ſchnell hinwirft zu ſeiner Luſt, wenn ihn
»der Tyrann, Körper genannt, ſeines Sklavendienſtes
»entlaſſen. Doch es iſt hier weder Ort noch Zeit, Euch
»zu widerlegen und eines beſſern überzeugen zu wol¬
»len; es würde vielleicht auch von gar keinem Nutzen
»ſeyn. Nur eine einzige Sache möcht' ich Euch noch
»entdecken.»
»Sprecht,» rief Peregrinus, »ſprecht oder
»ſchweigt, lieber Meiſter, thut das was Euch am ge¬
»rathenſten dünkt; denn ich ſehe genugſam ein, daß
»Ihr, ſeyd Ihr auch noch ſo klein, doch unendlich
»mehr Verſtand und tiefe Kenntniß habt. Ihr
»zwingt mich zum unbedingten Vertrauen, unerach¬
»tet ich Eure verblümten Redensarten nicht ganz ver¬
»ſtehe.»
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/171>, abgerufen am 27.11.2024.
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