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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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zu sehen, die dich so unaussprechlich liebt? -- Ach!
die eben deshalb stirbt, weil sie ohne dich nicht zu
athmen vermag!

Peregrinus, ganz aufgelöst im herbsten Weh, er¬
goß sich in Betheurungen seiner zärtlichsten Liebe und
wiederholte, daß nichts in der Welt ihm so theuer sey,
um es nicht der Holden zu opfern. Aus den Wor¬
ten wurden Küsse, aber in diesen Küßen wurden wie¬
derum wie Liebeshauch Worte vernehmbar.

"Du weißt," so mochten diese Worte lauten,
"du weißt, mein Peregrinus, wie sehr ich dich liebe.
"Ich kann dein seyn, du mein, ich kann gesunden
"auf der Stelle, erblüht wirst du mich sehen in fri¬
"schem jugendlichem Glanz wie eine Blume, die der
"Morgenthau erquickt und die nun freudig das ge¬
"senkte Haupt emporhebt -- aber -- gib mir den Ge¬
"fangenen heraus, mein theurer, geliebter Peregri¬
"nus, sonst siehst du mich vor deinen Augen verge¬
"hen in namenloser Todesquaal! -- Peregrinus --
"ich kann nicht mehr -- es ist aus" --

Damit sank die Kleine, die sich halb aufgerich¬
tet hatte, in die Kissen zurück, ihr Busen wallte wie
im Todeskampf stürmisch auf und nieder, blauer wur¬
den die Lippen, die Augen schienen zu brechen. --
In wilder Angst griff Peregrinus nach der Halsbinde,

zu ſehen, die dich ſo unausſprechlich liebt? — Ach!
die eben deshalb ſtirbt, weil ſie ohne dich nicht zu
athmen vermag!

Peregrinus, ganz aufgelöſt im herbſten Weh, er¬
goß ſich in Betheurungen ſeiner zärtlichſten Liebe und
wiederholte, daß nichts in der Welt ihm ſo theuer ſey,
um es nicht der Holden zu opfern. Aus den Wor¬
ten wurden Küſſe, aber in dieſen Küßen wurden wie¬
derum wie Liebeshauch Worte vernehmbar.

»Du weißt,» ſo mochten dieſe Worte lauten,
»du weißt, mein Peregrinus, wie ſehr ich dich liebe.
»Ich kann dein ſeyn, du mein, ich kann geſunden
»auf der Stelle, erblüht wirſt du mich ſehen in fri¬
»ſchem jugendlichem Glanz wie eine Blume, die der
»Morgenthau erquickt und die nun freudig das ge¬
»ſenkte Haupt emporhebt — aber — gib mir den Ge¬
»fangenen heraus, mein theurer, geliebter Peregri¬
»nus, ſonſt ſiehſt du mich vor deinen Augen verge¬
»hen in namenloſer Todesquaal! — Peregrinus —
»ich kann nicht mehr — es iſt aus» —

Damit ſank die Kleine, die ſich halb aufgerich¬
tet hatte, in die Kiſſen zurück, ihr Buſen wallte wie
im Todeskampf ſtürmiſch auf und nieder, blauer wur¬
den die Lippen, die Augen ſchienen zu brechen. —
In wilder Angſt griff Peregrinus nach der Halsbinde,

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[170/0175] zu ſehen, die dich ſo unausſprechlich liebt? — Ach! die eben deshalb ſtirbt, weil ſie ohne dich nicht zu athmen vermag! Peregrinus, ganz aufgelöſt im herbſten Weh, er¬ goß ſich in Betheurungen ſeiner zärtlichſten Liebe und wiederholte, daß nichts in der Welt ihm ſo theuer ſey, um es nicht der Holden zu opfern. Aus den Wor¬ ten wurden Küſſe, aber in dieſen Küßen wurden wie¬ derum wie Liebeshauch Worte vernehmbar. »Du weißt,» ſo mochten dieſe Worte lauten, »du weißt, mein Peregrinus, wie ſehr ich dich liebe. »Ich kann dein ſeyn, du mein, ich kann geſunden »auf der Stelle, erblüht wirſt du mich ſehen in fri¬ »ſchem jugendlichem Glanz wie eine Blume, die der »Morgenthau erquickt und die nun freudig das ge¬ »ſenkte Haupt emporhebt — aber — gib mir den Ge¬ »fangenen heraus, mein theurer, geliebter Peregri¬ »nus, ſonſt ſiehſt du mich vor deinen Augen verge¬ »hen in namenloſer Todesquaal! — Peregrinus — »ich kann nicht mehr — es iſt aus» — Damit ſank die Kleine, die ſich halb aufgerich¬ tet hatte, in die Kiſſen zurück, ihr Buſen wallte wie im Todeskampf ſtürmiſch auf und nieder, blauer wur¬ den die Lippen, die Augen ſchienen zu brechen. — In wilder Angſt griff Peregrinus nach der Halsbinde,

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/175>, abgerufen am 23.11.2024.