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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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"Zeit hatte, alle seine Kenntniße und Gaben, die
"die Krankheit auseinander gestreut, zusammen zu
"raffen und mitzunehmen. Lachende Erben theilten
"sich darin, ich aber hatte jene wunderbare Seher¬
"gabe in dem Augenblick weggefischt, als sie auf der
"Spitze des Schwerdts schwebte, das der Todesengel
"auf die Brust des alten Rabbi setzte. So ist aber
"jene wunderbare Gabe auf mich übergegangen, und
"auch ich erschaue, wie Rabbi Isaac Ben Harravad
"aus dem Gesicht des Menschen, ob seine Seele schon
"einen andern Körper bewohnt hat oder nicht. Euer
"Antlitz, Peregrinus Tyß, erregte mir, als ich es
"zum erstenmale sah, die seltsamsten Bedenken und
"Zweifel. Gewiß wurde mir die lange Vorexistenz
"Eurer Seele und doch blieb jede, Euerm jetzigen Le¬
"ben vorausgegangene Gestaltung völlig dunkel. Ich
"mußte meine Zuflucht zu den Gestirnen nehmen,
"und Euer Horoskop stellen, um das Geheimniß zu
"lösen."

Und, unterbrach Peregrinus den Flohbändiger,
und habt Ihr etwas herausgebracht, Herr Leuwen¬
höck?

Allerdings, erwiederte Leuwenhöck, indem er
noch einen feierlichern Ton annahm, allerdings! Ich
habe erkannt, daß das physische Prinzip, welches jetzt

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»Zeit hatte, alle ſeine Kenntniße und Gaben, die
»die Krankheit auseinander geſtreut, zuſammen zu
»raffen und mitzunehmen. Lachende Erben theilten
»ſich darin, ich aber hatte jene wunderbare Seher¬
»gabe in dem Augenblick weggefiſcht, als ſie auf der
»Spitze des Schwerdts ſchwebte, das der Todesengel
»auf die Bruſt des alten Rabbi ſetzte. So iſt aber
»jene wunderbare Gabe auf mich übergegangen, und
»auch ich erſchaue, wie Rabbi Iſaac Ben Harravad
»aus dem Geſicht des Menſchen, ob ſeine Seele ſchon
»einen andern Körper bewohnt hat oder nicht. Euer
»Antlitz, Peregrinus Tyß, erregte mir, als ich es
»zum erſtenmale ſah, die ſeltſamſten Bedenken und
»Zweifel. Gewiß wurde mir die lange Vorexiſtenz
»Eurer Seele und doch blieb jede, Euerm jetzigen Le¬
»ben vorausgegangene Geſtaltung völlig dunkel. Ich
»mußte meine Zuflucht zu den Geſtirnen nehmen,
»und Euer Horoskop ſtellen, um das Geheimniß zu
»löſen.»

Und, unterbrach Peregrinus den Flohbändiger,
und habt Ihr etwas herausgebracht, Herr Leuwen¬
höck?

Allerdings, erwiederte Leuwenhöck, indem er
noch einen feierlichern Ton annahm, allerdings! Ich
habe erkannt, daß das phyſiſche Prinzip, welches jetzt

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[193/0198] »Zeit hatte, alle ſeine Kenntniße und Gaben, die »die Krankheit auseinander geſtreut, zuſammen zu »raffen und mitzunehmen. Lachende Erben theilten »ſich darin, ich aber hatte jene wunderbare Seher¬ »gabe in dem Augenblick weggefiſcht, als ſie auf der »Spitze des Schwerdts ſchwebte, das der Todesengel »auf die Bruſt des alten Rabbi ſetzte. So iſt aber »jene wunderbare Gabe auf mich übergegangen, und »auch ich erſchaue, wie Rabbi Iſaac Ben Harravad »aus dem Geſicht des Menſchen, ob ſeine Seele ſchon »einen andern Körper bewohnt hat oder nicht. Euer »Antlitz, Peregrinus Tyß, erregte mir, als ich es »zum erſtenmale ſah, die ſeltſamſten Bedenken und »Zweifel. Gewiß wurde mir die lange Vorexiſtenz »Eurer Seele und doch blieb jede, Euerm jetzigen Le¬ »ben vorausgegangene Geſtaltung völlig dunkel. Ich »mußte meine Zuflucht zu den Geſtirnen nehmen, »und Euer Horoskop ſtellen, um das Geheimniß zu »löſen.» Und, unterbrach Peregrinus den Flohbändiger, und habt Ihr etwas herausgebracht, Herr Leuwen¬ höck? Allerdings, erwiederte Leuwenhöck, indem er noch einen feierlichern Ton annahm, allerdings! Ich habe erkannt, daß das phyſiſche Prinzip, welches jetzt 13

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/198>, abgerufen am 27.11.2024.