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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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"Kunst daran scheitert, den Knoten zu lösen, in den
"sich alle Linien verschlingen, ja, daß wenn ich die¬
"ses siderische Hauptzeichen des Horoskops betrachte,
"es mir ganz jämmerlich zu Muthe wird, und mein
"ehrwürdiges Haupt mir selbst vorkommt, wie ein
"bunt bemalter Haubenstock, aus schnöder Pappe ge¬
"fertigt? -- Fern sey von mir solch ein Geständniß,
"das mich ja herabwürdigen und ihm Waffen gegen
"mich in die Hände geben würde. Ich will dem Pin¬
"sel, der sich so klug dünkt, etwas aufheften, das
"ihm durch alle Glieder fahren und ihm alle Lust be¬
"nehmen soll, weiter in mich zu dringen." --

"Allerliebster," sprach nun der Flohbändiger,
indem er ein sehr bedenkliches Gesicht zog, "allerlieb¬
"ster Herr Tyß, verlangt nicht, daß ich von diesem
"Ereigniß sprechen soll. Ihr wißt, daß das Ho¬
"roskop uns zwar über das Eintreten gewisser Um¬
"stände klar und vollständig belehrt, daß aber, so will
"es die Weisheit der ewigen Macht, der Ausgang
"bedrohlicher Gefahr stets dunkel bleibt und hierüber
"nur zweifelhafte Deutungen möglich und zuläßig
"sind. Viel zu lieb hab' ich Euch als einen guten
"vortrefflichen Herzensmann, bester Herr Tyß, um
"Euch vor der Zeit in Unruhe und Angst zu setzen;
"sonst würde ich Euch wenigstens so viel sagen, daß

»Kunſt daran ſcheitert, den Knoten zu löſen, in den
»ſich alle Linien verſchlingen, ja, daß wenn ich die¬
»ſes ſideriſche Hauptzeichen des Horoskops betrachte,
»es mir ganz jämmerlich zu Muthe wird, und mein
»ehrwürdiges Haupt mir ſelbſt vorkommt, wie ein
»bunt bemalter Haubenſtock, aus ſchnöder Pappe ge¬
»fertigt? — Fern ſey von mir ſolch ein Geſtändniß,
»das mich ja herabwürdigen und ihm Waffen gegen
»mich in die Hände geben würde. Ich will dem Pin¬
»ſel, der ſich ſo klug dünkt, etwas aufheften, das
»ihm durch alle Glieder fahren und ihm alle Luſt be¬
»nehmen ſoll, weiter in mich zu dringen.» —

»Allerliebſter,» ſprach nun der Flohbändiger,
indem er ein ſehr bedenkliches Geſicht zog, »allerlieb¬
»ſter Herr Tyß, verlangt nicht, daß ich von dieſem
»Ereigniß ſprechen ſoll. Ihr wißt, daß das Ho¬
»roskop uns zwar über das Eintreten gewiſſer Um¬
»ſtände klar und vollſtändig belehrt, daß aber, ſo will
»es die Weisheit der ewigen Macht, der Ausgang
»bedrohlicher Gefahr ſtets dunkel bleibt und hierüber
»nur zweifelhafte Deutungen möglich und zuläßig
»ſind. Viel zu lieb hab' ich Euch als einen guten
»vortrefflichen Herzensmann, beſter Herr Tyß, um
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[196/0201] »Kunſt daran ſcheitert, den Knoten zu löſen, in den »ſich alle Linien verſchlingen, ja, daß wenn ich die¬ »ſes ſideriſche Hauptzeichen des Horoskops betrachte, »es mir ganz jämmerlich zu Muthe wird, und mein »ehrwürdiges Haupt mir ſelbſt vorkommt, wie ein »bunt bemalter Haubenſtock, aus ſchnöder Pappe ge¬ »fertigt? — Fern ſey von mir ſolch ein Geſtändniß, »das mich ja herabwürdigen und ihm Waffen gegen »mich in die Hände geben würde. Ich will dem Pin¬ »ſel, der ſich ſo klug dünkt, etwas aufheften, das »ihm durch alle Glieder fahren und ihm alle Luſt be¬ »nehmen ſoll, weiter in mich zu dringen.» — »Allerliebſter,» ſprach nun der Flohbändiger, indem er ein ſehr bedenkliches Geſicht zog, »allerlieb¬ »ſter Herr Tyß, verlangt nicht, daß ich von dieſem »Ereigniß ſprechen ſoll. Ihr wißt, daß das Ho¬ »roskop uns zwar über das Eintreten gewiſſer Um¬ »ſtände klar und vollſtändig belehrt, daß aber, ſo will »es die Weisheit der ewigen Macht, der Ausgang »bedrohlicher Gefahr ſtets dunkel bleibt und hierüber »nur zweifelhafte Deutungen möglich und zuläßig »ſind. Viel zu lieb hab' ich Euch als einen guten »vortrefflichen Herzensmann, beſter Herr Tyß, um »Euch vor der Zeit in Unruhe und Angſt zu ſetzen; »ſonſt würde ich Euch wenigſtens ſo viel ſagen, daß

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/201>, abgerufen am 23.11.2024.