Mann! Pepusch, ich fange an zu glauben, daß ihr es wirklich gut mit mir gemeint habt und daß ich nicht gut gethan auf Eure Warnungen nichts zu geben." Als nun Pepusch ruhig fragte, was sich denn bege¬ ben, drehte sich der Flohbändiger mit seinem Lehn¬ stuhl nach der Wand, hielt beide Hände vors Gesicht und rief weinerlich dem Pepusch zu, er möge nur eine Lupe zur Hand nehmen und die Marmortafel des Ti¬ sches anschauen. Schon mit unbewaffnetem Auge ge¬ wahrte Pepusch, daß die kleinen Kutschen, die Sol¬ daten u. s. w. todt da standen und lagen, daß sich nichts mehr regte und bewegte. Die kunstfertigen Flöhe schienen auch eine ganz andre Gestalt angenommen zu haben. Mittelst der Lupe entdeckte nun aber Pepusch sehr bald, daß kein einziger Floh mehr vorhanden, son¬ dern daß das, was er dafür gehalten, schwarze Pfef¬ ferkörner und Obstkerne waren, die in den Geschirren, in den Uniformen steckten.
"Ich weiß," begann nun der Flohbändiger ganz wehmüthig und zerknirscht, "ich weiß gar nicht, wel¬ "cher böse Geist mich mit Blindheit schlug, daß ich "die Desertion meiner Mannschaft nicht eher bemerk¬ "te, als bis alle Leute an den Tisch getreten waren "und sich gerüstet hatten zum Schauen. -- Ihr kön¬ "net denken Pepusch! wie die Leute, als sie sich ge¬
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Mann! Pepuſch, ich fange an zu glauben, daß ihr es wirklich gut mit mir gemeint habt und daß ich nicht gut gethan auf Eure Warnungen nichts zu geben.» Als nun Pepuſch ruhig fragte, was ſich denn bege¬ ben, drehte ſich der Flohbändiger mit ſeinem Lehn¬ ſtuhl nach der Wand, hielt beide Hände vors Geſicht und rief weinerlich dem Pepuſch zu, er möge nur eine Lupe zur Hand nehmen und die Marmortafel des Ti¬ ſches anſchauen. Schon mit unbewaffnetem Auge ge¬ wahrte Pepuſch, daß die kleinen Kutſchen, die Sol¬ daten u. ſ. w. todt da ſtanden und lagen, daß ſich nichts mehr regte und bewegte. Die kunſtfertigen Flöhe ſchienen auch eine ganz andre Geſtalt angenommen zu haben. Mittelſt der Lupe entdeckte nun aber Pepuſch ſehr bald, daß kein einziger Floh mehr vorhanden, ſon¬ dern daß das, was er dafür gehalten, ſchwarze Pfef¬ ferkörner und Obſtkerne waren, die in den Geſchirren, in den Uniformen ſteckten.
»Ich weiß,» begann nun der Flohbändiger ganz wehmüthig und zerknirſcht, »ich weiß gar nicht, wel¬ »cher böſe Geiſt mich mit Blindheit ſchlug, daß ich »die Deſertion meiner Mannſchaft nicht eher bemerk¬ »te, als bis alle Leute an den Tiſch getreten waren »und ſich gerüſtet hatten zum Schauen. — Ihr kön¬ »net denken Pepuſch! wie die Leute, als ſie ſich ge¬
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Mann! Pepuſch, ich fange an zu glauben, daß ihr
es wirklich gut mit mir gemeint habt und daß ich
nicht gut gethan auf Eure Warnungen nichts zu geben.»
Als nun Pepuſch ruhig fragte, was ſich denn bege¬
ben, drehte ſich der Flohbändiger mit ſeinem Lehn¬
ſtuhl nach der Wand, hielt beide Hände vors Geſicht
und rief weinerlich dem Pepuſch zu, er möge nur eine
Lupe zur Hand nehmen und die Marmortafel des Ti¬
ſches anſchauen. Schon mit unbewaffnetem Auge ge¬
wahrte Pepuſch, daß die kleinen Kutſchen, die Sol¬
daten u. ſ. w. todt da ſtanden und lagen, daß ſich
nichts mehr regte und bewegte. Die kunſtfertigen Flöhe
ſchienen auch eine ganz andre Geſtalt angenommen zu
haben. Mittelſt der Lupe entdeckte nun aber Pepuſch ſehr
bald, daß kein einziger Floh mehr vorhanden, ſon¬
dern daß das, was er dafür gehalten, ſchwarze Pfef¬
ferkörner und Obſtkerne waren, die in den Geſchirren,
in den Uniformen ſteckten.
»Ich weiß,» begann nun der Flohbändiger ganz
wehmüthig und zerknirſcht, »ich weiß gar nicht, wel¬
»cher böſe Geiſt mich mit Blindheit ſchlug, daß ich
»die Deſertion meiner Mannſchaft nicht eher bemerk¬
»te, als bis alle Leute an den Tiſch getreten waren
»und ſich gerüſtet hatten zum Schauen. — Ihr kön¬
»net denken Pepuſch! wie die Leute, als ſie ſich ge¬
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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