meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines gezwungenen Aufenthalts seine Gastlichkeit in Anspruch. Ganz, wie ihn mein Freund beschrie¬ ben, fand ich den Professor; hellgesprächig -- weltgewandt -- kurz, ganz in der Manier des höheren Geistlichen, der wissenschaftlich ausgebil¬ det, oft genug über das Brevier hinweg in das Leben geschaut hat, um genau zu wissen, wie es darin hergeht. Als ich sein Zimmer auch mit moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf meine vorigen Bemerkungen in den Sälen zu¬ rück, die ich gegen den Professor laut werden ließ. "Es ist wahr," erwiederte er, "wir haben jenen düstern Ernst, jene sonderbare Majestät des niederschmetternden Tyrannen, die im gothischen Bau unsere Brust beklemmt, ja wol ein unheimli¬ ches Grauen erregt, aus unseren Gebäuden ver¬ bannt, und es ist wol verdienstlich, unsern Werken die regsame Heiterkeit der Alten anzueignen." "Sollte aber," erwiederte ich, "nicht eben jene hei¬ lige Würde, jene hohe zum Himmel strebende Ma¬
meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines gezwungenen Aufenthalts ſeine Gaſtlichkeit in Anſpruch. Ganz, wie ihn mein Freund beſchrie¬ ben, fand ich den Profeſſor; hellgeſpraͤchig — weltgewandt — kurz, ganz in der Manier des hoͤheren Geiſtlichen, der wiſſenſchaftlich ausgebil¬ det, oft genug uͤber das Brevier hinweg in das Leben geſchaut hat, um genau zu wiſſen, wie es darin hergeht. Als ich ſein Zimmer auch mit moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf meine vorigen Bemerkungen in den Saͤlen zu¬ ruͤck, die ich gegen den Profeſſor laut werden ließ. „Es iſt wahr,“ erwiederte er, „wir haben jenen duͤſtern Ernſt, jene ſonderbare Majeſtaͤt des niederſchmetternden Tyrannen, die im gothiſchen Bau unſere Bruſt beklemmt, ja wol ein unheimli¬ ches Grauen erregt, aus unſeren Gebaͤuden ver¬ bannt, und es iſt wol verdienſtlich, unſern Werken die regſame Heiterkeit der Alten anzueignen.“ „Sollte aber,“ erwiederte ich, „nicht eben jene hei¬ lige Wuͤrde, jene hohe zum Himmel ſtrebende Ma¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0223"n="215"/>
meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines<lb/>
gezwungenen Aufenthalts ſeine Gaſtlichkeit in<lb/>
Anſpruch. Ganz, wie ihn mein Freund beſchrie¬<lb/>
ben, fand ich den Profeſſor; hellgeſpraͤchig —<lb/>
weltgewandt — kurz, ganz in der Manier des<lb/>
hoͤheren Geiſtlichen, der wiſſenſchaftlich ausgebil¬<lb/>
det, oft genug uͤber das Brevier hinweg in das<lb/>
Leben geſchaut hat, um genau zu wiſſen, wie es<lb/>
darin hergeht. Als ich ſein Zimmer auch mit<lb/>
moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf<lb/>
meine vorigen Bemerkungen in den Saͤlen zu¬<lb/>
ruͤck, die ich gegen den Profeſſor laut werden<lb/>
ließ. „Es iſt wahr,“ erwiederte er, „wir haben<lb/>
jenen duͤſtern Ernſt, jene ſonderbare Majeſtaͤt des<lb/>
niederſchmetternden Tyrannen, die im gothiſchen<lb/>
Bau unſere Bruſt beklemmt, ja wol ein unheimli¬<lb/>
ches Grauen erregt, aus unſeren Gebaͤuden ver¬<lb/>
bannt, und es iſt wol verdienſtlich, unſern Werken<lb/>
die regſame Heiterkeit der Alten anzueignen.“<lb/>„Sollte aber,“ erwiederte ich, „nicht eben jene hei¬<lb/>
lige Wuͤrde, jene hohe zum Himmel ſtrebende Ma¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[215/0223]
meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines
gezwungenen Aufenthalts ſeine Gaſtlichkeit in
Anſpruch. Ganz, wie ihn mein Freund beſchrie¬
ben, fand ich den Profeſſor; hellgeſpraͤchig —
weltgewandt — kurz, ganz in der Manier des
hoͤheren Geiſtlichen, der wiſſenſchaftlich ausgebil¬
det, oft genug uͤber das Brevier hinweg in das
Leben geſchaut hat, um genau zu wiſſen, wie es
darin hergeht. Als ich ſein Zimmer auch mit
moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf
meine vorigen Bemerkungen in den Saͤlen zu¬
ruͤck, die ich gegen den Profeſſor laut werden
ließ. „Es iſt wahr,“ erwiederte er, „wir haben
jenen duͤſtern Ernſt, jene ſonderbare Majeſtaͤt des
niederſchmetternden Tyrannen, die im gothiſchen
Bau unſere Bruſt beklemmt, ja wol ein unheimli¬
ches Grauen erregt, aus unſeren Gebaͤuden ver¬
bannt, und es iſt wol verdienſtlich, unſern Werken
die regſame Heiterkeit der Alten anzueignen.“
„Sollte aber,“ erwiederte ich, „nicht eben jene hei¬
lige Wuͤrde, jene hohe zum Himmel ſtrebende Ma¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/223>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.