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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines
gezwungenen Aufenthalts seine Gastlichkeit in
Anspruch. Ganz, wie ihn mein Freund beschrie¬
ben, fand ich den Professor; hellgesprächig --
weltgewandt -- kurz, ganz in der Manier des
höheren Geistlichen, der wissenschaftlich ausgebil¬
det, oft genug über das Brevier hinweg in das
Leben geschaut hat, um genau zu wissen, wie es
darin hergeht. Als ich sein Zimmer auch mit
moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf
meine vorigen Bemerkungen in den Sälen zu¬
rück, die ich gegen den Professor laut werden
ließ. "Es ist wahr," erwiederte er, "wir haben
jenen düstern Ernst, jene sonderbare Majestät des
niederschmetternden Tyrannen, die im gothischen
Bau unsere Brust beklemmt, ja wol ein unheimli¬
ches Grauen erregt, aus unseren Gebäuden ver¬
bannt, und es ist wol verdienstlich, unsern Werken
die regsame Heiterkeit der Alten anzueignen."
"Sollte aber," erwiederte ich, "nicht eben jene hei¬
lige Würde, jene hohe zum Himmel strebende Ma¬

meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines
gezwungenen Aufenthalts ſeine Gaſtlichkeit in
Anſpruch. Ganz, wie ihn mein Freund beſchrie¬
ben, fand ich den Profeſſor; hellgeſpraͤchig —
weltgewandt — kurz, ganz in der Manier des
hoͤheren Geiſtlichen, der wiſſenſchaftlich ausgebil¬
det, oft genug uͤber das Brevier hinweg in das
Leben geſchaut hat, um genau zu wiſſen, wie es
darin hergeht. Als ich ſein Zimmer auch mit
moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf
meine vorigen Bemerkungen in den Saͤlen zu¬
ruͤck, die ich gegen den Profeſſor laut werden
ließ. „Es iſt wahr,“ erwiederte er, „wir haben
jenen duͤſtern Ernſt, jene ſonderbare Majeſtaͤt des
niederſchmetternden Tyrannen, die im gothiſchen
Bau unſere Bruſt beklemmt, ja wol ein unheimli¬
ches Grauen erregt, aus unſeren Gebaͤuden ver¬
bannt, und es iſt wol verdienſtlich, unſern Werken
die regſame Heiterkeit der Alten anzueignen.“
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[215/0223] meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines gezwungenen Aufenthalts ſeine Gaſtlichkeit in Anſpruch. Ganz, wie ihn mein Freund beſchrie¬ ben, fand ich den Profeſſor; hellgeſpraͤchig — weltgewandt — kurz, ganz in der Manier des hoͤheren Geiſtlichen, der wiſſenſchaftlich ausgebil¬ det, oft genug uͤber das Brevier hinweg in das Leben geſchaut hat, um genau zu wiſſen, wie es darin hergeht. Als ich ſein Zimmer auch mit moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf meine vorigen Bemerkungen in den Saͤlen zu¬ ruͤck, die ich gegen den Profeſſor laut werden ließ. „Es iſt wahr,“ erwiederte er, „wir haben jenen duͤſtern Ernſt, jene ſonderbare Majeſtaͤt des niederſchmetternden Tyrannen, die im gothiſchen Bau unſere Bruſt beklemmt, ja wol ein unheimli¬ ches Grauen erregt, aus unſeren Gebaͤuden ver¬ bannt, und es iſt wol verdienſtlich, unſern Werken die regſame Heiterkeit der Alten anzueignen.“ „Sollte aber,“ erwiederte ich, „nicht eben jene hei¬ lige Wuͤrde, jene hohe zum Himmel ſtrebende Ma¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/223>, abgerufen am 25.11.2024.