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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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große Meister der Mahlerkunst nicht arbeiten
mögen, hat man sich, der neuern Tendenz gemäß,
mit Surrogaten behelfen müssen. Wir thun viel,
wenn wir uns zum polirten Gips versteigen, meh¬
rentheils schafft nur der Mahler die verschiedenen
Marmorarten, wie es eben jetzt in unserer Kirche
geschieht, die, Dank sei es der Freigebigkeit un¬
serer Patronen, neu dekorirt wird." Ich äußerte
den Wunsch, die Kirche zu sehen; der Professor
führte mich hinab, und als ich in den korinthi¬
schen Säulengang, der das Schiff der Kirche
formte, eintrat, fühlte ich wohl den nur zu
freundlichen Eindruck der zierlichen Verhältnisse.
Dem Hochaltare links war ein hohes Gerüste er¬
richtet, auf dem ein Mann stand, der die Wände
in Giallo antik übermahlte. "Nun wie geht es,
Berthold?" rief der Professor hinauf. Der
Mahler wandte sich nach uns um, aber gleich
fuhr er wieder fort zu arbeiten, indem er mit
dumpfer beinahe unvernehmbarer Stimme sprach:
"Viel Plage -- krummes verworrenes Zeug --

große Meiſter der Mahlerkunſt nicht arbeiten
moͤgen, hat man ſich, der neuern Tendenz gemaͤß,
mit Surrogaten behelfen muͤſſen. Wir thun viel,
wenn wir uns zum polirten Gips verſteigen, meh¬
rentheils ſchafft nur der Mahler die verſchiedenen
Marmorarten, wie es eben jetzt in unſerer Kirche
geſchieht, die, Dank ſei es der Freigebigkeit un¬
ſerer Patronen, neu dekorirt wird.“ Ich aͤußerte
den Wunſch, die Kirche zu ſehen; der Profeſſor
fuͤhrte mich hinab, und als ich in den korinthi¬
ſchen Saͤulengang, der das Schiff der Kirche
formte, eintrat, fuͤhlte ich wohl den nur zu
freundlichen Eindruck der zierlichen Verhaͤltniſſe.
Dem Hochaltare links war ein hohes Geruͤſte er¬
richtet, auf dem ein Mann ſtand, der die Waͤnde
in Giallo antik uͤbermahlte. „Nun wie geht es,
Berthold?“ rief der Profeſſor hinauf. Der
Mahler wandte ſich nach uns um, aber gleich
fuhr er wieder fort zu arbeiten, indem er mit
dumpfer beinahe unvernehmbarer Stimme ſprach:
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[217/0225] große Meiſter der Mahlerkunſt nicht arbeiten moͤgen, hat man ſich, der neuern Tendenz gemaͤß, mit Surrogaten behelfen muͤſſen. Wir thun viel, wenn wir uns zum polirten Gips verſteigen, meh¬ rentheils ſchafft nur der Mahler die verſchiedenen Marmorarten, wie es eben jetzt in unſerer Kirche geſchieht, die, Dank ſei es der Freigebigkeit un¬ ſerer Patronen, neu dekorirt wird.“ Ich aͤußerte den Wunſch, die Kirche zu ſehen; der Profeſſor fuͤhrte mich hinab, und als ich in den korinthi¬ ſchen Saͤulengang, der das Schiff der Kirche formte, eintrat, fuͤhlte ich wohl den nur zu freundlichen Eindruck der zierlichen Verhaͤltniſſe. Dem Hochaltare links war ein hohes Geruͤſte er¬ richtet, auf dem ein Mann ſtand, der die Waͤnde in Giallo antik uͤbermahlte. „Nun wie geht es, Berthold?“ rief der Profeſſor hinauf. Der Mahler wandte ſich nach uns um, aber gleich fuhr er wieder fort zu arbeiten, indem er mit dumpfer beinahe unvernehmbarer Stimme ſprach: „Viel Plage — krummes verworrenes Zeug —

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/225>, abgerufen am 25.11.2024.