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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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laß sie ihm! Coppelius lachte gellend auf und
rief: "Mag denn der Junge die Augen behalten
und sein Pensum flennen in der Welt; aber nun
wollen wir doch den Mechanismus der Hände und
der Füße recht observiren." Und damit faßte er
mich gewaltig, daß die Gelenke knackten, und
schrob mir die Hände ab und die Füße und setzte
sie bald hier, bald dort wieder ein. "'S steht
doch überall nicht recht! 's gut so wie es war! --
Der Alte hat's verstanden!" So zischte und lis¬
pelte Coppelius; aber alles um mich her wurde
schwarz und finster, ein jäher Krampf durchzuckte
Nerv und Gebein -- ich fühlte nichts mehr. Ein
sanfter warmer Hauch glitt über mein Gesicht,
ich erwachte wie aus dem Todesschlaf, die Mutter
hatte sich über mich hingebeugt. "Ist der Sand¬
mann noch da?" stammelte ich. "Nein, mein
liebes Kind, der ist lange, lange fort, der thut
dir keinen Schaden!" -- So sprach die Mutter
und küßte und herzte den wieder gewonnenen
Liebling. --

Was soll ich Dich ermüden, mein herzlieber

laß ſie ihm! Coppelius lachte gellend auf und
rief: „Mag denn der Junge die Augen behalten
und ſein Penſum flennen in der Welt; aber nun
wollen wir doch den Mechanismus der Haͤnde und
der Fuͤße recht obſerviren.“ Und damit faßte er
mich gewaltig, daß die Gelenke knackten, und
ſchrob mir die Haͤnde ab und die Fuͤße und ſetzte
ſie bald hier, bald dort wieder ein. „'S ſteht
doch uͤberall nicht recht! 's gut ſo wie es war! —
Der Alte hat's verſtanden!“ So ziſchte und lis¬
pelte Coppelius; aber alles um mich her wurde
ſchwarz und finſter, ein jaͤher Krampf durchzuckte
Nerv und Gebein — ich fuͤhlte nichts mehr. Ein
ſanfter warmer Hauch glitt uͤber mein Geſicht,
ich erwachte wie aus dem Todesſchlaf, die Mutter
hatte ſich uͤber mich hingebeugt. „Iſt der Sand¬
mann noch da?“ ſtammelte ich. „Nein, mein
liebes Kind, der iſt lange, lange fort, der thut
dir keinen Schaden!“ — So ſprach die Mutter
und kuͤßte und herzte den wieder gewonnenen
Liebling. —

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[15/0023] laß ſie ihm! Coppelius lachte gellend auf und rief: „Mag denn der Junge die Augen behalten und ſein Penſum flennen in der Welt; aber nun wollen wir doch den Mechanismus der Haͤnde und der Fuͤße recht obſerviren.“ Und damit faßte er mich gewaltig, daß die Gelenke knackten, und ſchrob mir die Haͤnde ab und die Fuͤße und ſetzte ſie bald hier, bald dort wieder ein. „'S ſteht doch uͤberall nicht recht! 's gut ſo wie es war! — Der Alte hat's verſtanden!“ So ziſchte und lis¬ pelte Coppelius; aber alles um mich her wurde ſchwarz und finſter, ein jaͤher Krampf durchzuckte Nerv und Gebein — ich fuͤhlte nichts mehr. Ein ſanfter warmer Hauch glitt uͤber mein Geſicht, ich erwachte wie aus dem Todesſchlaf, die Mutter hatte ſich uͤber mich hingebeugt. „Iſt der Sand¬ mann noch da?“ ſtammelte ich. „Nein, mein liebes Kind, der iſt lange, lange fort, der thut dir keinen Schaden!“ — So ſprach die Mutter und kuͤßte und herzte den wieder gewonnenen Liebling. — Was ſoll ich Dich ermuͤden, mein herzlieber

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/23>, abgerufen am 03.12.2024.