Lothar! was soll ich so weitläuftig Einzelnes hererzählen, da noch so vieles zu sagen übrig bleibt? Genug! -- ich war bei der Lauscherei entdeckt, und von Coppelius gemißhandelt wor¬ den. Angst und Schrecken hatten mir ein hitziges Fieber zugezogen, an dem ich mehrere Wochen krank lag. "Ist der Sandmann noch da?" -- Das war mein erstes gesundes Wort und das Zeichen meiner Genesung, meiner Rettung. -- Nur noch den schrecklichsten Moment meiner Ju¬ gendjahre darf ich dir erzählen; dann wirst du überzeugt seyn, daß es nicht meiner Augen Blö¬ digkeit ist, wenn mir nun alles farblos erscheint, sondern, daß ein dunkles Verhängniß wirklich einen trüben Wolkenschleier über mein Leben ge¬ hängt hat, den ich vielleicht nur sterbend zer¬ reisse. --
Coppelius ließ sich nicht mehr sehen, es hieß, er habe die Stadt verlassen.
Ein Jahr mochte vergangen seyn, als wir der alten unveränderten Sitte gemäß Abends an dem runden Tische saßen. Der Vater war sehr heiter
und
Lothar! was ſoll ich ſo weitlaͤuftig Einzelnes hererzaͤhlen, da noch ſo vieles zu ſagen uͤbrig bleibt? Genug! — ich war bei der Lauſcherei entdeckt, und von Coppelius gemißhandelt wor¬ den. Angſt und Schrecken hatten mir ein hitziges Fieber zugezogen, an dem ich mehrere Wochen krank lag. „Iſt der Sandmann noch da?“ — Das war mein erſtes geſundes Wort und das Zeichen meiner Geneſung, meiner Rettung. — Nur noch den ſchrecklichſten Moment meiner Ju¬ gendjahre darf ich dir erzaͤhlen; dann wirſt du uͤberzeugt ſeyn, daß es nicht meiner Augen Bloͤ¬ digkeit iſt, wenn mir nun alles farblos erſcheint, ſondern, daß ein dunkles Verhaͤngniß wirklich einen truͤben Wolkenſchleier uͤber mein Leben ge¬ haͤngt hat, den ich vielleicht nur ſterbend zer¬ reiſſe. —
Coppelius ließ ſich nicht mehr ſehen, es hieß, er habe die Stadt verlaſſen.
Ein Jahr mochte vergangen ſeyn, als wir der alten unveraͤnderten Sitte gemaͤß Abends an dem runden Tiſche ſaßen. Der Vater war ſehr heiter
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0024"n="16"/><hirendition="#g">Lothar</hi>! was ſoll ich ſo weitlaͤuftig Einzelnes<lb/>
hererzaͤhlen, da noch ſo vieles zu ſagen uͤbrig<lb/>
bleibt? Genug! — ich war bei der Lauſcherei<lb/>
entdeckt, und von <hirendition="#g">Coppelius</hi> gemißhandelt wor¬<lb/>
den. Angſt und Schrecken hatten mir ein hitziges<lb/>
Fieber zugezogen, an dem ich mehrere Wochen<lb/>
krank lag. „Iſt der Sandmann noch da?“—<lb/>
Das war mein erſtes geſundes Wort und das<lb/>
Zeichen meiner Geneſung, meiner Rettung. —<lb/>
Nur noch den ſchrecklichſten Moment meiner Ju¬<lb/>
gendjahre darf ich dir erzaͤhlen; dann wirſt du<lb/>
uͤberzeugt ſeyn, daß es nicht meiner Augen Bloͤ¬<lb/>
digkeit iſt, wenn mir nun alles farblos erſcheint,<lb/>ſondern, daß ein dunkles Verhaͤngniß wirklich<lb/>
einen truͤben Wolkenſchleier uͤber mein Leben ge¬<lb/>
haͤngt hat, den ich vielleicht nur ſterbend zer¬<lb/>
reiſſe. —</p><lb/><p><hirendition="#g">Coppelius</hi> ließ ſich nicht mehr ſehen, es<lb/>
hieß, er habe die Stadt verlaſſen.</p><lb/><p>Ein Jahr mochte vergangen ſeyn, als wir der<lb/>
alten unveraͤnderten Sitte gemaͤß Abends an dem<lb/>
runden Tiſche ſaßen. Der Vater war ſehr heiter<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[16/0024]
Lothar! was ſoll ich ſo weitlaͤuftig Einzelnes
hererzaͤhlen, da noch ſo vieles zu ſagen uͤbrig
bleibt? Genug! — ich war bei der Lauſcherei
entdeckt, und von Coppelius gemißhandelt wor¬
den. Angſt und Schrecken hatten mir ein hitziges
Fieber zugezogen, an dem ich mehrere Wochen
krank lag. „Iſt der Sandmann noch da?“ —
Das war mein erſtes geſundes Wort und das
Zeichen meiner Geneſung, meiner Rettung. —
Nur noch den ſchrecklichſten Moment meiner Ju¬
gendjahre darf ich dir erzaͤhlen; dann wirſt du
uͤberzeugt ſeyn, daß es nicht meiner Augen Bloͤ¬
digkeit iſt, wenn mir nun alles farblos erſcheint,
ſondern, daß ein dunkles Verhaͤngniß wirklich
einen truͤben Wolkenſchleier uͤber mein Leben ge¬
haͤngt hat, den ich vielleicht nur ſterbend zer¬
reiſſe. —
Coppelius ließ ſich nicht mehr ſehen, es
hieß, er habe die Stadt verlaſſen.
Ein Jahr mochte vergangen ſeyn, als wir der
alten unveraͤnderten Sitte gemaͤß Abends an dem
runden Tiſche ſaßen. Der Vater war ſehr heiter
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/24>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.