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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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fleißig und sorgfältig, damit Du die Praktik des
Darstellens erlangen mögest, aber halte die Prak¬
tik nicht für die Kunst selbst. Bist Du einge¬
drungen in den tiefern Sinn der Natur, so wer¬
den selbst in Deinem Innern ihre Bilder in hoh¬
er glänzender Pracht aufgehen." -- Der Mal¬
theser schwieg; als aber Berthold tief ergriffen,
gebückten Hauptes, keines Wortes mächtig da
stand, verließ ihn der Maltheser mit den Wor¬
ten: "Ich habe Dich durchaus nicht verwirren
wollen in Deinem Beruf; aber ich weiß, daß
ein hoher Geist in Dir schlummert: ich rief ihn
an mit starken Worten, damit er erwache und
frisch und frei seine Fittige rege. Lebe wohl!" --

Dem Berthold war es so, als habe der
Maltheser nur dem, was in seiner Seele gährte
und brauste, Worte gegeben; die innere Stimme
brach hervor -- Nein! Alles dieses Streben --
dieses Mühen ist das ungewisse, trügerische Umher¬
tappen des Blinden, weg -- weg mit Allem, was
mich geblendet bis jetzt! -- Er war nicht im

Stande

fleißig und ſorgfaͤltig, damit Du die Praktik des
Darſtellens erlangen moͤgeſt, aber halte die Prak¬
tik nicht fuͤr die Kunſt ſelbſt. Biſt Du einge¬
drungen in den tiefern Sinn der Natur, ſo wer¬
den ſelbſt in Deinem Innern ihre Bilder in hoh¬
er glaͤnzender Pracht aufgehen.“ — Der Mal¬
theſer ſchwieg; als aber Berthold tief ergriffen,
gebuͤckten Hauptes, keines Wortes maͤchtig da
ſtand, verließ ihn der Maltheſer mit den Wor¬
ten: „Ich habe Dich durchaus nicht verwirren
wollen in Deinem Beruf; aber ich weiß, daß
ein hoher Geiſt in Dir ſchlummert: ich rief ihn
an mit ſtarken Worten, damit er erwache und
friſch und frei ſeine Fittige rege. Lebe wohl!“ —

Dem Berthold war es ſo, als habe der
Maltheſer nur dem, was in ſeiner Seele gaͤhrte
und brauſte, Worte gegeben; die innere Stimme
brach hervor — Nein! Alles dieſes Streben —
dieſes Muͤhen iſt das ungewiſſe, truͤgeriſche Umher¬
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[256/0264] fleißig und ſorgfaͤltig, damit Du die Praktik des Darſtellens erlangen moͤgeſt, aber halte die Prak¬ tik nicht fuͤr die Kunſt ſelbſt. Biſt Du einge¬ drungen in den tiefern Sinn der Natur, ſo wer¬ den ſelbſt in Deinem Innern ihre Bilder in hoh¬ er glaͤnzender Pracht aufgehen.“ — Der Mal¬ theſer ſchwieg; als aber Berthold tief ergriffen, gebuͤckten Hauptes, keines Wortes maͤchtig da ſtand, verließ ihn der Maltheſer mit den Wor¬ ten: „Ich habe Dich durchaus nicht verwirren wollen in Deinem Beruf; aber ich weiß, daß ein hoher Geiſt in Dir ſchlummert: ich rief ihn an mit ſtarken Worten, damit er erwache und friſch und frei ſeine Fittige rege. Lebe wohl!“ — Dem Berthold war es ſo, als habe der Maltheſer nur dem, was in ſeiner Seele gaͤhrte und brauſte, Worte gegeben; die innere Stimme brach hervor — Nein! Alles dieſes Streben — dieſes Muͤhen iſt das ungewiſſe, truͤgeriſche Umher¬ tappen des Blinden, weg — weg mit Allem, was mich geblendet bis jetzt! — Er war nicht im Stande

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/264>, abgerufen am 22.11.2024.