ich habe ja meine Augen, sieh' mich doch nur an! -- Nathanael denkt: das ist Clara, und ich bin ihr Eigen ewiglich. -- Da ist es, als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er stehen bleibt, und im schwarzen Abgrund verrauscht dumpf das Getöse. Natha¬ nael blickt in Clara's Augen; aber es ist der Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich anschaut.
Während Nathanael dies dichtete, war er sehr ruhig und besonnen, er feilte und besserte an jeder Zeile und da er sich dem metrischen Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles rein und wohlklingend sich fügte. Als er jedoch nun endlich fertig worden, und das Gedicht für sich laut las, da faßte ihn Grausen und wildes Entsetzen und er schrie auf: Wessen grauenvolle Stimme ist das? -- Bald schien ihm jedoch das Ganze wieder nur eine sehr gelungene Dich¬ tung, und es war ihm, als müsse Clara's kaltes Gemüth dadurch entzündet werden, wie¬ wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara
ich habe ja meine Augen, ſieh' mich doch nur an! — Nathanael denkt: das iſt Clara, und ich bin ihr Eigen ewiglich. — Da iſt es, als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er ſtehen bleibt, und im ſchwarzen Abgrund verrauſcht dumpf das Getoͤſe. Natha¬ nael blickt in Clara's Augen; aber es iſt der Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich anſchaut.
Waͤhrend Nathanael dies dichtete, war er ſehr ruhig und beſonnen, er feilte und beſſerte an jeder Zeile und da er ſich dem metriſchen Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles rein und wohlklingend ſich fuͤgte. Als er jedoch nun endlich fertig worden, und das Gedicht fuͤr ſich laut las, da faßte ihn Grauſen und wildes Entſetzen und er ſchrie auf: Weſſen grauenvolle Stimme iſt das? — Bald ſchien ihm jedoch das Ganze wieder nur eine ſehr gelungene Dich¬ tung, und es war ihm, als muͤſſe Clara's kaltes Gemuͤth dadurch entzuͤndet werden, wie¬ wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara
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ich habe ja meine Augen, ſieh' mich doch nur
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und ich bin ihr Eigen ewiglich. — Da iſt es,
als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis
hinein, daß er ſtehen bleibt, und im ſchwarzen
Abgrund verrauſcht dumpf das Getoͤſe. Natha¬
nael blickt in Clara's Augen; aber es iſt der
Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich
anſchaut.
Waͤhrend Nathanael dies dichtete, war er
ſehr ruhig und beſonnen, er feilte und beſſerte
an jeder Zeile und da er ſich dem metriſchen
Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles
rein und wohlklingend ſich fuͤgte. Als er jedoch
nun endlich fertig worden, und das Gedicht fuͤr
ſich laut las, da faßte ihn Grauſen und wildes
Entſetzen und er ſchrie auf: Weſſen grauenvolle
Stimme iſt das? — Bald ſchien ihm jedoch
das Ganze wieder nur eine ſehr gelungene Dich¬
tung, und es war ihm, als muͤſſe Clara's
kaltes Gemuͤth dadurch entzuͤndet werden, wie¬
wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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