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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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leben auf der Welt, wenn der Geliebte den Bru¬
der, oder wenn der Bruder den Geliebten er¬
mordet hat! -- Lothar ließ die Waffe sinken
und sah schweigend zur Erde nieder, aber in Na¬
thanael's Innerm ging in herzzerreissender Weh¬
muth alle Liebe wieder auf, wie er sie jemahls
in der herrlichen Jugendzeit schönsten Tagen für
die holde Clara empfunden. Das Mordgewehr
entfiel seiner Hand, er stürzte zu Clara's Füßen.
Kannst Du mir denn jemahls verzeihen, Du
meine einzige, meine herzgeliebte Clara! --
Kannst Du mir verzeihen, mein herzlieber Bru¬
der Lothar! -- Lothar wurde gerührt von
des Freundes tiefem Schmerz; unter tausend Thrä¬
nen umarmten sich die drei versöhnten Menschen
und schwuren, nicht von einander zu lassen in
steter Liebe und Treue.

Dem Nathanael war es zu Muthe, als
sei eine schwere Last, die ihn zu Boden gedrückt,
von ihm abgewälzt, ja als habe er, Widerstand
leistend der finstern Macht, die ihn befangen,
sein ganzes Seyn, dem Vernichtung drohte, ge¬

leben auf der Welt, wenn der Geliebte den Bru¬
der, oder wenn der Bruder den Geliebten er¬
mordet hat! — Lothar ließ die Waffe ſinken
und ſah ſchweigend zur Erde nieder, aber in Na¬
thanael's Innerm ging in herzzerreiſſender Weh¬
muth alle Liebe wieder auf, wie er ſie jemahls
in der herrlichen Jugendzeit ſchoͤnſten Tagen fuͤr
die holde Clara empfunden. Das Mordgewehr
entfiel ſeiner Hand, er ſtuͤrzte zu Clara's Fuͤßen.
Kannſt Du mir denn jemahls verzeihen, Du
meine einzige, meine herzgeliebte Clara! —
Kannſt Du mir verzeihen, mein herzlieber Bru¬
der Lothar! — Lothar wurde geruͤhrt von
des Freundes tiefem Schmerz; unter tauſend Thraͤ¬
nen umarmten ſich die drei verſoͤhnten Menſchen
und ſchwuren, nicht von einander zu laſſen in
ſteter Liebe und Treue.

Dem Nathanael war es zu Muthe, als
ſei eine ſchwere Laſt, die ihn zu Boden gedruͤckt,
von ihm abgewaͤlzt, ja als habe er, Widerſtand
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[47/0055] leben auf der Welt, wenn der Geliebte den Bru¬ der, oder wenn der Bruder den Geliebten er¬ mordet hat! — Lothar ließ die Waffe ſinken und ſah ſchweigend zur Erde nieder, aber in Na¬ thanael's Innerm ging in herzzerreiſſender Weh¬ muth alle Liebe wieder auf, wie er ſie jemahls in der herrlichen Jugendzeit ſchoͤnſten Tagen fuͤr die holde Clara empfunden. Das Mordgewehr entfiel ſeiner Hand, er ſtuͤrzte zu Clara's Fuͤßen. Kannſt Du mir denn jemahls verzeihen, Du meine einzige, meine herzgeliebte Clara! — Kannſt Du mir verzeihen, mein herzlieber Bru¬ der Lothar! — Lothar wurde geruͤhrt von des Freundes tiefem Schmerz; unter tauſend Thraͤ¬ nen umarmten ſich die drei verſoͤhnten Menſchen und ſchwuren, nicht von einander zu laſſen in ſteter Liebe und Treue. Dem Nathanael war es zu Muthe, als ſei eine ſchwere Laſt, die ihn zu Boden gedruͤckt, von ihm abgewaͤlzt, ja als habe er, Widerſtand leiſtend der finſtern Macht, die ihn befangen, ſein ganzes Seyn, dem Vernichtung drohte, ge¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/55>, abgerufen am 23.11.2024.