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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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saß, wie gewöhnlich, vor dem kleinen Tisch, die
Aerme darauf gelegt, die Hände gefaltet. --
Nun erschaute Nathanael erst Olimpia's
wunderschön geformtes Gesicht. Nur die Augen
schienen ihm gar seltsam starr und todt. Doch
wie er immer schärfer und schärfer durch das
Glas hinschaute, war es, als gingen in Olim¬
pia's Augen feuchte Mondesstrahlen auf. Es
schien, als wenn nun erst die Sehkraft entzündet
würde; immer lebendiger und lebendiger flammten
die Blicke. Nathanael lag wie festgezaubert
im Fenster, immer fort und fort die himmlisch-
schöne Olimpia betrachtend. Ein Räuspern und
Scharren weckte ihn, wie aus tiefem Traum.
Coppola stand hinter ihm: Tre Zechini --
drei Dukat -- Nathanael hatte den Opticus
rein vergessen, rasch zahlte er das verlangte:
"Nick so? -- sköne Glas -- sköne Glas!" frug
Coppola mit seiner widerwärtigen heisern Stim¬
me und dem hämischen Lächeln. "Ja ja, ja!" er¬
wiederte Nathanael verdrießlich. "Adieu, lieber
Freund!" -- Coppola verließ nicht ohne viele

ſaß, wie gewoͤhnlich, vor dem kleinen Tiſch, die
Aerme darauf gelegt, die Haͤnde gefaltet. —
Nun erſchaute Nathanael erſt Olimpia's
wunderſchoͤn geformtes Geſicht. Nur die Augen
ſchienen ihm gar ſeltſam ſtarr und todt. Doch
wie er immer ſchaͤrfer und ſchaͤrfer durch das
Glas hinſchaute, war es, als gingen in Olim¬
pia's Augen feuchte Mondesſtrahlen auf. Es
ſchien, als wenn nun erſt die Sehkraft entzuͤndet
wuͤrde; immer lebendiger und lebendiger flammten
die Blicke. Nathanael lag wie feſtgezaubert
im Fenſter, immer fort und fort die himmliſch-
ſchoͤne Olimpia betrachtend. Ein Raͤuspern und
Scharren weckte ihn, wie aus tiefem Traum.
Coppola ſtand hinter ihm: Tre Zechini
drei Dukat — Nathanael hatte den Opticus
rein vergeſſen, raſch zahlte er das verlangte:
„Nick ſo? — ſkoͤne Glas — ſkoͤne Glas!“ frug
Coppola mit ſeiner widerwaͤrtigen heiſern Stim¬
me und dem haͤmiſchen Laͤcheln. „Ja ja, ja!“ er¬
wiederte Nathanael verdrießlich. „Adieu, lieber
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[53/0061] ſaß, wie gewoͤhnlich, vor dem kleinen Tiſch, die Aerme darauf gelegt, die Haͤnde gefaltet. — Nun erſchaute Nathanael erſt Olimpia's wunderſchoͤn geformtes Geſicht. Nur die Augen ſchienen ihm gar ſeltſam ſtarr und todt. Doch wie er immer ſchaͤrfer und ſchaͤrfer durch das Glas hinſchaute, war es, als gingen in Olim¬ pia's Augen feuchte Mondesſtrahlen auf. Es ſchien, als wenn nun erſt die Sehkraft entzuͤndet wuͤrde; immer lebendiger und lebendiger flammten die Blicke. Nathanael lag wie feſtgezaubert im Fenſter, immer fort und fort die himmliſch- ſchoͤne Olimpia betrachtend. Ein Raͤuspern und Scharren weckte ihn, wie aus tiefem Traum. Coppola ſtand hinter ihm: Tre Zechini — drei Dukat — Nathanael hatte den Opticus rein vergeſſen, raſch zahlte er das verlangte: „Nick ſo? — ſkoͤne Glas — ſkoͤne Glas!“ frug Coppola mit ſeiner widerwaͤrtigen heiſern Stim¬ me und dem haͤmiſchen Laͤcheln. „Ja ja, ja!“ er¬ wiederte Nathanael verdrießlich. „Adieu, lieber Freund!“ — Coppola verließ nicht ohne viele

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/61>, abgerufen am 24.05.2024.