Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

seltsame Seitenblicke auf Nathanael, das Zim¬
mer. Er hörte ihn auf der Treppe laut lachen.
"Nun ja, meinte Nathanael, er lacht mich
aus, weil ich ihm das kleine Perspektiv gewiß
viel zu theuer bezahlt habe -- zu theuer be¬
zahlt!" -- Indem er diese Worte leise sprach,
war es, als halle ein tiefer Todesseufzer grauen¬
voll durch das Zimmer, Nathanael's Athem
stockte vor innerer Angst. -- Er hatte ja aber
selbst so aufgeseufzt, das merkte er wohl. Clara,
sprach er zu sich selber, hat wohl Recht, daß sie
mich für einen abgeschmackten Geisterseher hält;
aber närrisch ist es doch -- ach wohl mehr, als
närrisch, daß mich der dumme Gedanke, ich hätte
das Glas dem Coppola zu theuer bezahlt, noch
jetzt so sonderbar ängstigt; den Grund davon sehe
ich gar nicht ein. -- Jetzt setzte er sich hin, um
den Brief an Clara zu enden, aber ein Blick
durchs Fenster überzeugte ihn, daß Olimpia
noch da säße und im Augenblick, wie von unwi¬
derstehlicher Gewalt getrieben, sprang er auf, er¬
griff Coppola's Perspektiv und konnte nicht

ſeltſame Seitenblicke auf Nathanael, das Zim¬
mer. Er hoͤrte ihn auf der Treppe laut lachen.
„Nun ja, meinte Nathanael, er lacht mich
aus, weil ich ihm das kleine Perſpektiv gewiß
viel zu theuer bezahlt habe — zu theuer be¬
zahlt!“ — Indem er dieſe Worte leiſe ſprach,
war es, als halle ein tiefer Todesſeufzer grauen¬
voll durch das Zimmer, Nathanael's Athem
ſtockte vor innerer Angſt. — Er hatte ja aber
ſelbſt ſo aufgeſeufzt, das merkte er wohl. Clara,
ſprach er zu ſich ſelber, hat wohl Recht, daß ſie
mich fuͤr einen abgeſchmackten Geiſterſeher haͤlt;
aber naͤrriſch iſt es doch — ach wohl mehr, als
naͤrriſch, daß mich der dumme Gedanke, ich haͤtte
das Glas dem Coppola zu theuer bezahlt, noch
jetzt ſo ſonderbar aͤngſtigt; den Grund davon ſehe
ich gar nicht ein. — Jetzt ſetzte er ſich hin, um
den Brief an Clara zu enden, aber ein Blick
durchs Fenſter uͤberzeugte ihn, daß Olimpia
noch da ſaͤße und im Augenblick, wie von unwi¬
derſtehlicher Gewalt getrieben, ſprang er auf, er¬
griff Coppola's Perſpektiv und konnte nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="54"/>
&#x017F;elt&#x017F;ame Seitenblicke auf <hi rendition="#g">Nathanael</hi>, das Zim¬<lb/>
mer. Er ho&#x0364;rte ihn auf der Treppe laut lachen.<lb/>
&#x201E;Nun ja, meinte <hi rendition="#g">Nathanael</hi>, er lacht mich<lb/>
aus, weil ich ihm das kleine Per&#x017F;pektiv gewiß<lb/>
viel zu theuer bezahlt habe &#x2014; zu theuer be¬<lb/>
zahlt!&#x201C; &#x2014; Indem er die&#x017F;e Worte lei&#x017F;e &#x017F;prach,<lb/>
war es, als halle ein tiefer Todes&#x017F;eufzer grauen¬<lb/>
voll durch das Zimmer, <hi rendition="#g">Nathanael's</hi> Athem<lb/>
&#x017F;tockte vor innerer Ang&#x017F;t. &#x2014; Er hatte ja aber<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o aufge&#x017F;eufzt, das merkte er wohl. <hi rendition="#g">Clara</hi>,<lb/>
&#x017F;prach er zu &#x017F;ich &#x017F;elber, hat wohl Recht, daß &#x017F;ie<lb/>
mich fu&#x0364;r einen abge&#x017F;chmackten Gei&#x017F;ter&#x017F;eher ha&#x0364;lt;<lb/>
aber na&#x0364;rri&#x017F;ch i&#x017F;t es doch &#x2014; ach wohl mehr, als<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;ch, daß mich der dumme Gedanke, ich ha&#x0364;tte<lb/>
das Glas dem <hi rendition="#g">Coppola</hi> zu theuer bezahlt, noch<lb/>
jetzt &#x017F;o &#x017F;onderbar a&#x0364;ng&#x017F;tigt; den Grund davon &#x017F;ehe<lb/>
ich gar nicht ein. &#x2014; Jetzt &#x017F;etzte er &#x017F;ich hin, um<lb/>
den Brief an <hi rendition="#g">Clara</hi> zu enden, aber ein Blick<lb/>
durchs Fen&#x017F;ter u&#x0364;berzeugte ihn, daß <hi rendition="#g">Olimpia</hi><lb/>
noch da &#x017F;a&#x0364;ße und im Augenblick, wie von unwi¬<lb/>
der&#x017F;tehlicher Gewalt getrieben, &#x017F;prang er auf, er¬<lb/>
griff <hi rendition="#g">Coppola's</hi> Per&#x017F;pektiv und konnte nicht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] ſeltſame Seitenblicke auf Nathanael, das Zim¬ mer. Er hoͤrte ihn auf der Treppe laut lachen. „Nun ja, meinte Nathanael, er lacht mich aus, weil ich ihm das kleine Perſpektiv gewiß viel zu theuer bezahlt habe — zu theuer be¬ zahlt!“ — Indem er dieſe Worte leiſe ſprach, war es, als halle ein tiefer Todesſeufzer grauen¬ voll durch das Zimmer, Nathanael's Athem ſtockte vor innerer Angſt. — Er hatte ja aber ſelbſt ſo aufgeſeufzt, das merkte er wohl. Clara, ſprach er zu ſich ſelber, hat wohl Recht, daß ſie mich fuͤr einen abgeſchmackten Geiſterſeher haͤlt; aber naͤrriſch iſt es doch — ach wohl mehr, als naͤrriſch, daß mich der dumme Gedanke, ich haͤtte das Glas dem Coppola zu theuer bezahlt, noch jetzt ſo ſonderbar aͤngſtigt; den Grund davon ſehe ich gar nicht ein. — Jetzt ſetzte er ſich hin, um den Brief an Clara zu enden, aber ein Blick durchs Fenſter uͤberzeugte ihn, daß Olimpia noch da ſaͤße und im Augenblick, wie von unwi¬ derſtehlicher Gewalt getrieben, ſprang er auf, er¬ griff Coppola's Perſpektiv und konnte nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/62
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/62>, abgerufen am 18.05.2024.