Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

einem bösen, schweren Traume zu kämpfen. "Er¬
wachen Sie -- erwachen Sie," rief ich laut, indem
ich ihn sanft bei der Hand faßte und den hellen
Kerzenschein auf sein Gesicht fallen ließ. Der Alte
fuhr auf mit einem dumpfen Ruf, dann schaute er
mich mit freundlichen Augen an und sprach: "Das
hast du gut gemacht, Vetter! daß du mich wecktest.
Ei, ich hatte einen sehr häßlichen Traum, und
daran ist blos hier das Gemach und der Saal
Schuld, denn ich mußte dabei an die vergangene
Zeit und an manches Verwunderliche denken, was
hier sich begab. Aber nun wollen wir recht tüchtig
ausschlafen!" Damit hüllte sich der Alte in die
Decke und schien sofort einzuschlafen. Als ich die
Kerzen ausgelöscht und mich auch ins Bette gelegt
hatte, vernahm ich, daß der Alte leise betete. --
Am andern Morgen ging die Arbeit los, der Wirth¬
schaftsinspector kam mit den Rechnungen, und Leute
meldeten sich, die irgend einen Streit geschlichtet,
irgend eine Angelegenheit geordnet haben wollten.
Mittags ging der Großonkel mit mir herüber in

den

einem boͤſen, ſchweren Traume zu kaͤmpfen. „Er¬
wachen Sie — erwachen Sie,“ rief ich laut, indem
ich ihn ſanft bei der Hand faßte und den hellen
Kerzenſchein auf ſein Geſicht fallen ließ. Der Alte
fuhr auf mit einem dumpfen Ruf, dann ſchaute er
mich mit freundlichen Augen an und ſprach: „Das
haſt du gut gemacht, Vetter! daß du mich weckteſt.
Ei, ich hatte einen ſehr haͤßlichen Traum, und
daran iſt blos hier das Gemach und der Saal
Schuld, denn ich mußte dabei an die vergangene
Zeit und an manches Verwunderliche denken, was
hier ſich begab. Aber nun wollen wir recht tuͤchtig
ausſchlafen!“ Damit huͤllte ſich der Alte in die
Decke und ſchien ſofort einzuſchlafen. Als ich die
Kerzen ausgeloͤſcht und mich auch ins Bette gelegt
hatte, vernahm ich, daß der Alte leiſe betete. —
Am andern Morgen ging die Arbeit los, der Wirth¬
ſchaftsinſpector kam mit den Rechnungen, und Leute
meldeten ſich, die irgend einen Streit geſchlichtet,
irgend eine Angelegenheit geordnet haben wollten.
Mittags ging der Großonkel mit mir heruͤber in

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="96"/>
einem bo&#x0364;&#x017F;en, &#x017F;chweren Traume zu ka&#x0364;mpfen. &#x201E;Er¬<lb/>
wachen Sie &#x2014; erwachen Sie,&#x201C; rief ich laut, indem<lb/>
ich ihn &#x017F;anft bei der Hand faßte und den hellen<lb/>
Kerzen&#x017F;chein auf &#x017F;ein Ge&#x017F;icht fallen ließ. Der Alte<lb/>
fuhr auf mit einem dumpfen Ruf, dann &#x017F;chaute er<lb/>
mich mit freundlichen Augen an und &#x017F;prach: &#x201E;Das<lb/>
ha&#x017F;t du gut gemacht, Vetter! daß du mich weckte&#x017F;t.<lb/>
Ei, ich hatte einen &#x017F;ehr ha&#x0364;ßlichen Traum, und<lb/>
daran i&#x017F;t blos hier das Gemach und der Saal<lb/>
Schuld, denn ich mußte dabei an die vergangene<lb/>
Zeit und an manches Verwunderliche denken, was<lb/>
hier &#x017F;ich begab. Aber nun wollen wir recht tu&#x0364;chtig<lb/>
aus&#x017F;chlafen!&#x201C; Damit hu&#x0364;llte &#x017F;ich der Alte in die<lb/>
Decke und &#x017F;chien &#x017F;ofort einzu&#x017F;chlafen. Als ich die<lb/>
Kerzen ausgelo&#x0364;&#x017F;cht und mich auch ins Bette gelegt<lb/>
hatte, vernahm ich, daß der Alte lei&#x017F;e betete. &#x2014;<lb/>
Am andern Morgen ging die Arbeit los, der Wirth¬<lb/>
&#x017F;chaftsin&#x017F;pector kam mit den Rechnungen, und Leute<lb/>
meldeten &#x017F;ich, die irgend einen Streit ge&#x017F;chlichtet,<lb/>
irgend eine Angelegenheit geordnet haben wollten.<lb/>
Mittags ging der Großonkel mit mir heru&#x0364;ber in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0104] einem boͤſen, ſchweren Traume zu kaͤmpfen. „Er¬ wachen Sie — erwachen Sie,“ rief ich laut, indem ich ihn ſanft bei der Hand faßte und den hellen Kerzenſchein auf ſein Geſicht fallen ließ. Der Alte fuhr auf mit einem dumpfen Ruf, dann ſchaute er mich mit freundlichen Augen an und ſprach: „Das haſt du gut gemacht, Vetter! daß du mich weckteſt. Ei, ich hatte einen ſehr haͤßlichen Traum, und daran iſt blos hier das Gemach und der Saal Schuld, denn ich mußte dabei an die vergangene Zeit und an manches Verwunderliche denken, was hier ſich begab. Aber nun wollen wir recht tuͤchtig ausſchlafen!“ Damit huͤllte ſich der Alte in die Decke und ſchien ſofort einzuſchlafen. Als ich die Kerzen ausgeloͤſcht und mich auch ins Bette gelegt hatte, vernahm ich, daß der Alte leiſe betete. — Am andern Morgen ging die Arbeit los, der Wirth¬ ſchaftsinſpector kam mit den Rechnungen, und Leute meldeten ſich, die irgend einen Streit geſchlichtet, irgend eine Angelegenheit geordnet haben wollten. Mittags ging der Großonkel mit mir heruͤber in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/104
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/104>, abgerufen am 22.11.2024.