nach seinem Sinne mache und daß dieser doch nur hier in gerichtlicher Verhandlung walten könne. Als wir allein waren, beschwerte ich mich bitter über den Baron, der mir immer mehr im Grunde der Seele zuwider werde. "Glaube mir, Vetter!" erwiederte der Alte, "daß der Baron trotz seines unfreundlichen Wesens der vortrefflichste, gut¬ müthigste Mensch von der Welt ist. Dieses Wesen hat er auch, wie ich dir schon sagte, erst seit der Zeit angenommen, als er Majoratsherr wurde, vorher war er ein sanfter, bescheidener Jüngling. Ueberhaupt ist es denn doch aber nicht mit ihm so arg, wie du es machst, und ich möchte wohl wissen, warum er dir so gar sehr zuwider ist." Indem der Alte die letzten Worte sprach, lächelte er recht höh¬ nisch, und das Blut stieg mir siedend heiß ins Ge¬ sicht. Mußte mir nun nicht mein Innres recht klar werden, mußte ich es nicht deutlich fühlen, daß jenes wunderliche Hassen aufkeimte aus dem Lieben, oder vielmehr aus dem Verlieben in ein Wesen, das mir das holdeste, hochherrlichste zu
nach ſeinem Sinne mache und daß dieſer doch nur hier in gerichtlicher Verhandlung walten koͤnne. Als wir allein waren, beſchwerte ich mich bitter uͤber den Baron, der mir immer mehr im Grunde der Seele zuwider werde. „Glaube mir, Vetter!“ erwiederte der Alte, „daß der Baron trotz ſeines unfreundlichen Weſens der vortrefflichſte, gut¬ muͤthigſte Menſch von der Welt iſt. Dieſes Weſen hat er auch, wie ich dir ſchon ſagte, erſt ſeit der Zeit angenommen, als er Majoratsherr wurde, vorher war er ein ſanfter, beſcheidener Juͤngling. Ueberhaupt iſt es denn doch aber nicht mit ihm ſo arg, wie du es machſt, und ich moͤchte wohl wiſſen, warum er dir ſo gar ſehr zuwider iſt.“ Indem der Alte die letzten Worte ſprach, laͤchelte er recht hoͤh¬ niſch, und das Blut ſtieg mir ſiedend heiß ins Ge¬ ſicht. Mußte mir nun nicht mein Innres recht klar werden, mußte ich es nicht deutlich fuͤhlen, daß jenes wunderliche Haſſen aufkeimte aus dem Lieben, oder vielmehr aus dem Verlieben in ein Weſen, das mir das holdeſte, hochherrlichſte zu
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nach ſeinem Sinne mache und daß dieſer doch nur
hier in gerichtlicher Verhandlung walten koͤnne.
Als wir allein waren, beſchwerte ich mich bitter
uͤber den Baron, der mir immer mehr im Grunde
der Seele zuwider werde. „Glaube mir, Vetter!“
erwiederte der Alte, „daß der Baron trotz ſeines
unfreundlichen Weſens der vortrefflichſte, gut¬
muͤthigſte Menſch von der Welt iſt. Dieſes Weſen
hat er auch, wie ich dir ſchon ſagte, erſt ſeit der
Zeit angenommen, als er Majoratsherr wurde,
vorher war er ein ſanfter, beſcheidener Juͤngling.
Ueberhaupt iſt es denn doch aber nicht mit ihm ſo
arg, wie du es machſt, und ich moͤchte wohl wiſſen,
warum er dir ſo gar ſehr zuwider iſt.“ Indem der
Alte die letzten Worte ſprach, laͤchelte er recht hoͤh¬
niſch, und das Blut ſtieg mir ſiedend heiß ins Ge¬
ſicht. Mußte mir nun nicht mein Innres recht
klar werden, mußte ich es nicht deutlich fuͤhlen,
daß jenes wunderliche Haſſen aufkeimte aus dem
Lieben, oder vielmehr aus dem Verlieben in ein
Weſen, das mir das holdeſte, hochherrlichſte zu
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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