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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Tische den ihm von vielen beneideten Platz neben
der Baronesse einnehmen, mich warf der Zufall
bald hier bald dorthin, doch pflegten gewöhnlich ein
paar Offiziere aus der nahen Hauptstadt mich in
Beschlag zu nehmen, um sich über alles Neue und
Lustige, was dort geschehen, recht auszusprechen
und dabei wacker zu trinken. So kam es, daß ich
mehrere Tage hindurch, ganz fern von der Ba¬
ronesse, am untern Ende des Tisches saß, bis mich
endlich ein Zufall in ihre Nähe brachte. Als der ver¬
sammelten Gesellschaft der Eßsaal geöffnet wurde,
hatte mich gerade die Gesellschafterin der Baronin,
ein nicht mehr ganz junges Fräulein, aber sonst
nicht häßlich und nicht ohne Geist, in ein Gespräch
verwickelt, das ihr zu behagen schien. Der Sitte
gemäß mußte ich ihr den Arm geben, und nicht
wenig erfreut war ich, als sie der Baronin ganz
nahe Platz nahm, die ihr freundlich zunickte. Man
kann denken, daß nun alle Worte, die ich sprach,
nicht mehr der Nachbarin allein, sondern hauptsäch¬
lich der Baronin galten. Mag es seyn, daß meine

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Tiſche den ihm von vielen beneideten Platz neben
der Baroneſſe einnehmen, mich warf der Zufall
bald hier bald dorthin, doch pflegten gewoͤhnlich ein
paar Offiziere aus der nahen Hauptſtadt mich in
Beſchlag zu nehmen, um ſich uͤber alles Neue und
Luſtige, was dort geſchehen, recht auszuſprechen
und dabei wacker zu trinken. So kam es, daß ich
mehrere Tage hindurch, ganz fern von der Ba¬
roneſſe, am untern Ende des Tiſches ſaß, bis mich
endlich ein Zufall in ihre Naͤhe brachte. Als der ver¬
ſammelten Geſellſchaft der Eßſaal geoͤffnet wurde,
hatte mich gerade die Geſellſchafterin der Baronin,
ein nicht mehr ganz junges Fraͤulein, aber ſonſt
nicht haͤßlich und nicht ohne Geiſt, in ein Geſpraͤch
verwickelt, das ihr zu behagen ſchien. Der Sitte
gemaͤß mußte ich ihr den Arm geben, und nicht
wenig erfreut war ich, als ſie der Baronin ganz
nahe Platz nahm, die ihr freundlich zunickte. Man
kann denken, daß nun alle Worte, die ich ſprach,
nicht mehr der Nachbarin allein, ſondern hauptſaͤch¬
lich der Baronin galten. Mag es ſeyn, daß meine

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[113/0121] Tiſche den ihm von vielen beneideten Platz neben der Baroneſſe einnehmen, mich warf der Zufall bald hier bald dorthin, doch pflegten gewoͤhnlich ein paar Offiziere aus der nahen Hauptſtadt mich in Beſchlag zu nehmen, um ſich uͤber alles Neue und Luſtige, was dort geſchehen, recht auszuſprechen und dabei wacker zu trinken. So kam es, daß ich mehrere Tage hindurch, ganz fern von der Ba¬ roneſſe, am untern Ende des Tiſches ſaß, bis mich endlich ein Zufall in ihre Naͤhe brachte. Als der ver¬ ſammelten Geſellſchaft der Eßſaal geoͤffnet wurde, hatte mich gerade die Geſellſchafterin der Baronin, ein nicht mehr ganz junges Fraͤulein, aber ſonſt nicht haͤßlich und nicht ohne Geiſt, in ein Geſpraͤch verwickelt, das ihr zu behagen ſchien. Der Sitte gemaͤß mußte ich ihr den Arm geben, und nicht wenig erfreut war ich, als ſie der Baronin ganz nahe Platz nahm, die ihr freundlich zunickte. Man kann denken, daß nun alle Worte, die ich ſprach, nicht mehr der Nachbarin allein, ſondern hauptſaͤch¬ lich der Baronin galten. Mag es ſeyn, daß meine H

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/121>, abgerufen am 27.11.2024.