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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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zur Weihnachtszeit, wenn uns unser Geschäft hier
im Laden wach erhielt, oft seltsame Klagelaute
vernommen, die offenbar sich hier hinter der Mauer
im Nebenhause erhoben. Und dann fing es an so
häßlich zu scharren und zu rumoren, daß uns bei¬
den ganz graulich zu Muthe wurde. Auch ist es
nicht lange her, daß sich zur Nachtzeit ein solch
sonderbarer Gesang hören ließ, den ich Ihnen nun
gar nicht beschreiben kann. Es war offenbar die
Stimme eines alten Weibes, die wir vernahmen,
aber die Töne waren so gellend klar, und liefen in
bunten Cadenzen und langen schneidenden Trillern
so hoch hinauf, wie ich es, unerachtet ich doch in
Italien, Frankreich und Deutschland so viel Sän¬
gerinnen gekannt, noch nie gehört habe. Mir war
so, als würden französische Worte gesungen, doch
konnt' ich das nicht genau unterscheiden, und über¬
haupt das tolle gespenstige Singen nicht lange an¬
hören, denn mir standen die Haare zu Berge.
Zuweilen, wenn das Geräusch auf der Straße
nachläßt, hören wir auch in der hintern Stube tiefe

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zur Weihnachtszeit, wenn uns unſer Geſchaͤft hier
im Laden wach erhielt, oft ſeltſame Klagelaute
vernommen, die offenbar ſich hier hinter der Mauer
im Nebenhauſe erhoben. Und dann fing es an ſo
haͤßlich zu ſcharren und zu rumoren, daß uns bei¬
den ganz graulich zu Muthe wurde. Auch iſt es
nicht lange her, daß ſich zur Nachtzeit ein ſolch
ſonderbarer Geſang hoͤren ließ, den ich Ihnen nun
gar nicht beſchreiben kann. Es war offenbar die
Stimme eines alten Weibes, die wir vernahmen,
aber die Toͤne waren ſo gellend klar, und liefen in
bunten Cadenzen und langen ſchneidenden Trillern
ſo hoch hinauf, wie ich es, unerachtet ich doch in
Italien, Frankreich und Deutſchland ſo viel Saͤn¬
gerinnen gekannt, noch nie gehoͤrt habe. Mir war
ſo, als wuͤrden franzoͤſiſche Worte geſungen, doch
konnt' ich das nicht genau unterſcheiden, und uͤber¬
haupt das tolle geſpenſtige Singen nicht lange an¬
hoͤren, denn mir ſtanden die Haare zu Berge.
Zuweilen, wenn das Geraͤuſch auf der Straße
nachlaͤßt, hoͤren wir auch in der hintern Stube tiefe

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[17/0025] zur Weihnachtszeit, wenn uns unſer Geſchaͤft hier im Laden wach erhielt, oft ſeltſame Klagelaute vernommen, die offenbar ſich hier hinter der Mauer im Nebenhauſe erhoben. Und dann fing es an ſo haͤßlich zu ſcharren und zu rumoren, daß uns bei¬ den ganz graulich zu Muthe wurde. Auch iſt es nicht lange her, daß ſich zur Nachtzeit ein ſolch ſonderbarer Geſang hoͤren ließ, den ich Ihnen nun gar nicht beſchreiben kann. Es war offenbar die Stimme eines alten Weibes, die wir vernahmen, aber die Toͤne waren ſo gellend klar, und liefen in bunten Cadenzen und langen ſchneidenden Trillern ſo hoch hinauf, wie ich es, unerachtet ich doch in Italien, Frankreich und Deutſchland ſo viel Saͤn¬ gerinnen gekannt, noch nie gehoͤrt habe. Mir war ſo, als wuͤrden franzoͤſiſche Worte geſungen, doch konnt' ich das nicht genau unterſcheiden, und uͤber¬ haupt das tolle geſpenſtige Singen nicht lange an¬ hoͤren, denn mir ſtanden die Haare zu Berge. Zuweilen, wenn das Geraͤuſch auf der Straße nachlaͤßt, hoͤren wir auch in der hintern Stube tiefe B

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/25>, abgerufen am 21.11.2024.