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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Jahren der Freiherr Roderich von R., der letzte
Majoratsbesitzer, ohne Deszendenten gestorben und
das Majorat der Stiftungsurkunde gemäß dem
Staate anheimgefallen sey. -- Ich ging hinauf
nach dem Schlosse, es lag in Ruinen zusammenge¬
stürzt. Man hatte einen großen Theil der Steine
zu dem Leuchtthurm benutzt, so versicherte ein alter
Bauer, der aus dem Föhrenwalde kam und mit
dem ich mich ins Gespräch einließ. Der wußte
auch noch von dem Spuk zu erzählen, wie er auf
dem Schlosse gehaust haben sollte und versicherte,
daß noch jetzt sich oft, zumal beim Vollmonde,
grauenvolle Klagelaute in dem Gestein hören ließen.

Armer alter, kurzsichtiger Roderich! welche böse
Macht beschworst du herauf, die den Stamm, den
du mit fester Wurzel für die Ewigkeit zu pflanzen
gedachtest, im ersten Aufkeimen zum Tode ver¬
giftete.


Jahren der Freiherr Roderich von R., der letzte
Majoratsbeſitzer, ohne Deszendenten geſtorben und
das Majorat der Stiftungsurkunde gemaͤß dem
Staate anheimgefallen ſey. — Ich ging hinauf
nach dem Schloſſe, es lag in Ruinen zuſammenge¬
ſtuͤrzt. Man hatte einen großen Theil der Steine
zu dem Leuchtthurm benutzt, ſo verſicherte ein alter
Bauer, der aus dem Foͤhrenwalde kam und mit
dem ich mich ins Geſpraͤch einließ. Der wußte
auch noch von dem Spuk zu erzaͤhlen, wie er auf
dem Schloſſe gehauſt haben ſollte und verſicherte,
daß noch jetzt ſich oft, zumal beim Vollmonde,
grauenvolle Klagelaute in dem Geſtein hoͤren ließen.

Armer alter, kurzſichtiger Roderich! welche boͤſe
Macht beſchworſt du herauf, die den Stamm, den
du mit feſter Wurzel fuͤr die Ewigkeit zu pflanzen
gedachteſt, im erſten Aufkeimen zum Tode ver¬
giftete.


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[253/0261] Jahren der Freiherr Roderich von R., der letzte Majoratsbeſitzer, ohne Deszendenten geſtorben und das Majorat der Stiftungsurkunde gemaͤß dem Staate anheimgefallen ſey. — Ich ging hinauf nach dem Schloſſe, es lag in Ruinen zuſammenge¬ ſtuͤrzt. Man hatte einen großen Theil der Steine zu dem Leuchtthurm benutzt, ſo verſicherte ein alter Bauer, der aus dem Foͤhrenwalde kam und mit dem ich mich ins Geſpraͤch einließ. Der wußte auch noch von dem Spuk zu erzaͤhlen, wie er auf dem Schloſſe gehauſt haben ſollte und verſicherte, daß noch jetzt ſich oft, zumal beim Vollmonde, grauenvolle Klagelaute in dem Geſtein hoͤren ließen. Armer alter, kurzſichtiger Roderich! welche boͤſe Macht beſchworſt du herauf, die den Stamm, den du mit feſter Wurzel fuͤr die Ewigkeit zu pflanzen gedachteſt, im erſten Aufkeimen zum Tode ver¬ giftete.

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/261>, abgerufen am 24.11.2024.