schwarze Hund mit der Zunge die Makronenreste vom Maule wegleckend. Mich schien der Alte gar nicht bemerkt zu haben, ich stand da ganz erstarrt vor Erstaunen. "Sehn Sie," fing der Conditor an, "sehen Sie, so treibt es der wunderliche Alte hier zuweilen, wenigstens in vier Wochen zwey, dreymahl, aber nichts ist aus ihm heraus zu brin¬ gen, als daß er ehemahls Kammerdiener des Gra¬ fen von S. war, daß er jetzt hier das Haus ver¬ waltet, und jeden Tag (schon seit vielen Jahren) die Gräflich S -- sche Familie erwartet, weshalb auch nichts vermiethet werden kann. Mein Bru¬ der ging ihm einmahl zu Leibe wegen des wunder¬ lichen Getöns zur Nachtzeit, da sprach er aber sehr gelassen: "Ja! -- die Leute sagen alle, es spuke im Hause, glauben Sie es aber nicht, es thut nicht wahr seyn." -- Die Stunde war gekommen, in der der gute Ton gebot, diesen Laden zu besu¬ chen, die Thür öffnete sich, elegante Welt strömte hinein und ich konnte nicht weiter fragen. --
ſchwarze Hund mit der Zunge die Makronenreſte vom Maule wegleckend. Mich ſchien der Alte gar nicht bemerkt zu haben, ich ſtand da ganz erſtarrt vor Erſtaunen. „Sehn Sie,“ fing der Conditor an, „ſehen Sie, ſo treibt es der wunderliche Alte hier zuweilen, wenigſtens in vier Wochen zwey, dreymahl, aber nichts iſt aus ihm heraus zu brin¬ gen, als daß er ehemahls Kammerdiener des Gra¬ fen von S. war, daß er jetzt hier das Haus ver¬ waltet, und jeden Tag (ſchon ſeit vielen Jahren) die Graͤflich S — ſche Familie erwartet, weshalb auch nichts vermiethet werden kann. Mein Bru¬ der ging ihm einmahl zu Leibe wegen des wunder¬ lichen Getoͤns zur Nachtzeit, da ſprach er aber ſehr gelaſſen: „Ja! — die Leute ſagen alle, es ſpuke im Hauſe, glauben Sie es aber nicht, es thut nicht wahr ſeyn.“ — Die Stunde war gekommen, in der der gute Ton gebot, dieſen Laden zu beſu¬ chen, die Thuͤr oͤffnete ſich, elegante Welt ſtroͤmte hinein und ich konnte nicht weiter fragen. —
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ſchwarze Hund mit der Zunge die Makronenreſte
vom Maule wegleckend. Mich ſchien der Alte gar
nicht bemerkt zu haben, ich ſtand da ganz erſtarrt
vor Erſtaunen. „Sehn Sie,“ fing der Conditor
an, „ſehen Sie, ſo treibt es der wunderliche Alte
hier zuweilen, wenigſtens in vier Wochen zwey,
dreymahl, aber nichts iſt aus ihm heraus zu brin¬
gen, als daß er ehemahls Kammerdiener des Gra¬
fen von S. war, daß er jetzt hier das Haus ver¬
waltet, und jeden Tag (ſchon ſeit vielen Jahren)
die Graͤflich S — ſche Familie erwartet, weshalb
auch nichts vermiethet werden kann. Mein Bru¬
der ging ihm einmahl zu Leibe wegen des wunder¬
lichen Getoͤns zur Nachtzeit, da ſprach er aber ſehr
gelaſſen: „Ja! — die Leute ſagen alle, es ſpuke
im Hauſe, glauben Sie es aber nicht, es thut
nicht wahr ſeyn.“ — Die Stunde war gekommen,
in der der gute Ton gebot, dieſen Laden zu beſu¬
chen, die Thuͤr oͤffnete ſich, elegante Welt ſtroͤmte
hinein und ich konnte nicht weiter fragen. —
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/30>, abgerufen am 03.12.2024.
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