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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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So viel stand nun fest, daß die Nachrichten des
Grafen P. über das Eigenthum und die Benutzung
des Hauses falsch waren, daß der alte Verwalter
dasselbe seines Läugnens unerachtet nicht allein be¬
wohnte, und daß ganz gewiß irgend ein Geheimniß
vor der Welt dort verhüllt werden sollte. Mußte
ich denn nicht die Erzählung von dem seltsamen,
schauerlichen Gesange mit dem Erscheinen des schö¬
nen Arms am Fenster in Verbindung setzen? Der
Arm saß nicht, konnte nicht sitzen an dem Leibe
eines alten verschrumpften Weibes, der Gesang
nach des Conditors Beschreibung nicht aus der
Kehle des jungen blühenden Mädchens kommen.
Doch für das Merkzeichen des Arms entschieden,
konnt' ich leicht mich selbst überreden, daß vielleicht
nur eine akustische Täuschung die Stimme alt und
gellend klingen lassen, und daß eben so vielleicht
nur des, vom Graulichen befangenen, Conditors
trügliches Ohr die Töne so vernommen. -- Nun
dacht' ich an den Rauch, den seltsamen Geruch, an
die wunderlich geformte Krystallflasche, die ich sah,

So viel ſtand nun feſt, daß die Nachrichten des
Grafen P. uͤber das Eigenthum und die Benutzung
des Hauſes falſch waren, daß der alte Verwalter
daſſelbe ſeines Laͤugnens unerachtet nicht allein be¬
wohnte, und daß ganz gewiß irgend ein Geheimniß
vor der Welt dort verhuͤllt werden ſollte. Mußte
ich denn nicht die Erzaͤhlung von dem ſeltſamen,
ſchauerlichen Geſange mit dem Erſcheinen des ſchoͤ¬
nen Arms am Fenſter in Verbindung ſetzen? Der
Arm ſaß nicht, konnte nicht ſitzen an dem Leibe
eines alten verſchrumpften Weibes, der Geſang
nach des Conditors Beſchreibung nicht aus der
Kehle des jungen bluͤhenden Maͤdchens kommen.
Doch fuͤr das Merkzeichen des Arms entſchieden,
konnt' ich leicht mich ſelbſt uͤberreden, daß vielleicht
nur eine akuſtiſche Taͤuſchung die Stimme alt und
gellend klingen laſſen, und daß eben ſo vielleicht
nur des, vom Graulichen befangenen, Conditors
truͤgliches Ohr die Toͤne ſo vernommen. — Nun
dacht' ich an den Rauch, den ſeltſamen Geruch, an
die wunderlich geformte Kryſtallflaſche, die ich ſah,

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[23/0031] So viel ſtand nun feſt, daß die Nachrichten des Grafen P. uͤber das Eigenthum und die Benutzung des Hauſes falſch waren, daß der alte Verwalter daſſelbe ſeines Laͤugnens unerachtet nicht allein be¬ wohnte, und daß ganz gewiß irgend ein Geheimniß vor der Welt dort verhuͤllt werden ſollte. Mußte ich denn nicht die Erzaͤhlung von dem ſeltſamen, ſchauerlichen Geſange mit dem Erſcheinen des ſchoͤ¬ nen Arms am Fenſter in Verbindung ſetzen? Der Arm ſaß nicht, konnte nicht ſitzen an dem Leibe eines alten verſchrumpften Weibes, der Geſang nach des Conditors Beſchreibung nicht aus der Kehle des jungen bluͤhenden Maͤdchens kommen. Doch fuͤr das Merkzeichen des Arms entſchieden, konnt' ich leicht mich ſelbſt uͤberreden, daß vielleicht nur eine akuſtiſche Taͤuſchung die Stimme alt und gellend klingen laſſen, und daß eben ſo vielleicht nur des, vom Graulichen befangenen, Conditors truͤgliches Ohr die Toͤne ſo vernommen. — Nun dacht' ich an den Rauch, den ſeltſamen Geruch, an die wunderlich geformte Kryſtallflaſche, die ich ſah,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/31>, abgerufen am 21.11.2024.