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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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negilda blühte ganz auf in voller Jugend und Schön¬
heit. Und doch schien die Fürstin sie für kränker als
jemahls zu halten, denn: "Wie ist dir, was hast du
mein Kind? -- was fühlst du?" so frug sie, quä¬
lende Besorgniß im Gesicht, so bald Hermenegilda
nur seufzte oder im mindesten erblaßte. Graf
Nepomuk, der Fürst, die Fürstin beratheten sich,
was es denn nun werden solle mit Hermenegilda
und ihrer fixen Idee, Stanislaus Witwe zu seyn.
"Ich glaube leider," sprach der Fürst, "daß ihr
Wahnsinn unheilbar bleiben wird, denn sie ist kör¬
perlich kerngesund und nährt den zerrütteten Zu¬
stand ihrer Seele mit voller Kraft -- Ja," fuhr
er fort, als die Fürstin schmerzlich vor sich hin¬
blickte, "ja sie ist kerngesund, unerachtet sie zur
Ungebühr und zu ihrem offenbaren Nachtheil wie
eine Kranke gepflegt, gehätschelt und geängstet
wird." Die Fürstin, welche diese Worte trafen,
faßte den Grafen Nepomuk ins Auge und sprach
rasch und entschieden: "Nein! -- Hermenegilda
ist nicht krank, aber, läge es nicht im Reich der

negilda bluͤhte ganz auf in voller Jugend und Schoͤn¬
heit. Und doch ſchien die Fuͤrſtin ſie fuͤr kraͤnker als
jemahls zu halten, denn: „Wie iſt dir, was haſt du
mein Kind? — was fuͤhlſt du?“ ſo frug ſie, quaͤ¬
lende Beſorgniß im Geſicht, ſo bald Hermenegilda
nur ſeufzte oder im mindeſten erblaßte. Graf
Nepomuk, der Fuͤrſt, die Fuͤrſtin beratheten ſich,
was es denn nun werden ſolle mit Hermenegilda
und ihrer fixen Idee, Stanislaus Witwe zu ſeyn.
„Ich glaube leider,“ ſprach der Fuͤrſt, „daß ihr
Wahnſinn unheilbar bleiben wird, denn ſie iſt koͤr¬
perlich kerngeſund und naͤhrt den zerruͤtteten Zu¬
ſtand ihrer Seele mit voller Kraft — Ja,“ fuhr
er fort, als die Fuͤrſtin ſchmerzlich vor ſich hin¬
blickte, „ja ſie iſt kerngeſund, unerachtet ſie zur
Ungebuͤhr und zu ihrem offenbaren Nachtheil wie
eine Kranke gepflegt, gehaͤtſchelt und geaͤngſtet
wird.“ Die Fuͤrſtin, welche dieſe Worte trafen,
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[302/0310] negilda bluͤhte ganz auf in voller Jugend und Schoͤn¬ heit. Und doch ſchien die Fuͤrſtin ſie fuͤr kraͤnker als jemahls zu halten, denn: „Wie iſt dir, was haſt du mein Kind? — was fuͤhlſt du?“ ſo frug ſie, quaͤ¬ lende Beſorgniß im Geſicht, ſo bald Hermenegilda nur ſeufzte oder im mindeſten erblaßte. Graf Nepomuk, der Fuͤrſt, die Fuͤrſtin beratheten ſich, was es denn nun werden ſolle mit Hermenegilda und ihrer fixen Idee, Stanislaus Witwe zu ſeyn. „Ich glaube leider,“ ſprach der Fuͤrſt, „daß ihr Wahnſinn unheilbar bleiben wird, denn ſie iſt koͤr¬ perlich kerngeſund und naͤhrt den zerruͤtteten Zu¬ ſtand ihrer Seele mit voller Kraft — Ja,“ fuhr er fort, als die Fuͤrſtin ſchmerzlich vor ſich hin¬ blickte, „ja ſie iſt kerngeſund, unerachtet ſie zur Ungebuͤhr und zu ihrem offenbaren Nachtheil wie eine Kranke gepflegt, gehaͤtſchelt und geaͤngſtet wird.“ Die Fuͤrſtin, welche dieſe Worte trafen, faßte den Grafen Nepomuk ins Auge und ſprach raſch und entſchieden: „Nein! — Hermenegilda iſt nicht krank, aber, laͤge es nicht im Reich der

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/310>, abgerufen am 22.11.2024.